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Andreas Kofler beflügelt das gelbe Trikot.

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Kein Nachteil ohne Vorteil, kann Andreas Kofler, Sieger der ersten drei Weltcupspringen dieser Saison, heute leicht sagen. Im verwichenen Mai sah die Welt des 27-jährigen Stubaiers ein wenig anders aus. Da plagten ihn hartnäckige Rückenschmerzen derart, dass dann ein Sprungtraining für volle zwei Monate, in der Kernzeit der Vorbereitung, undurchführbar war. Die Probleme an den Bandscheiben waren nur durch Stärkung der begleitenden Muskulatur in den Griff zu bekommen.

Am Sonntag waren die Schmerzen wieder da, ließen sich aber leicht ertragen, nachdem Kofler auf dem großen Olympiabakken zu Lillehammer ein nach dem ersten Durchgang schon verloren geglaubtes Springen doch wieder für sich entschieden hatte.

"Etwas Vergleichbares hat es in meiner Karriere noch nicht gegeben, nicht einmal in meiner Zeit als Jugendspringer", kommentierte Kofler die Siegesserie, die am Wochenende in Harrachov fortgesetzt werden soll. Ja, und Kofler, der im Sommer die Ausbildung zum Exekutivbediensteten im Polizeidienst erfolgreich beendet hat und dem Posten Hall in Tirol zugeteilt ist, biegt auch nicht ab, wenn er auf Thomas Morgensterns Rekord angesprochen wird, der seit 2007 auf sechs Siege en suite ab Saisonbeginn steht. Freilich, sagt er, wäre es lässig, einfach weiterzugewinnen. Der Gesamtweltcup ist sein Ziel und was sich auf dem Weg mitnehmen lässt, vielleicht der zweite Triumph bei der Vierschanzentournee nach 2009/10, sei herzlich willkommen.

Mit dieser Sicht der Dinge unterscheidet sich Kofler von den offiziellen Vorgaben, die etwa ein Morgenstern ins Treffen führt. Er, betont der Kärntner immer wieder, springe nicht primär ergebnisorientiert und quasi nur aus Spaß an der Freude. Nun ist das dem 25-Jährigen auch deshalb zuzugestehen (wenn auch nicht abzunehmen), weil er als Einzel- und Mannschaftssportler schon alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. So war Morgenstern eben schon nur für sich selbst Olympiasieger - 2006 auf der Großschanze im Stadio del Trampolino zu Pragelato bei Turin, 0,1 Punkte oder fünf Zentimeter vor Kofler, der sich von der knappsten aller möglichen Niederlagen nur schwer erholt hat, seine mit knapp 22 ersprungene Silbermedaille mit den Jahren aber zu schätzen lernte. Zumal während des beinharten Weges zurück zur Spitze, den der ehemalige Sturzpilot fast zwei Saisonen lang bis Ende 2009 zusammen mit seinem Stützpunkttrainer Markus Maurberger zurückzulegen hatte.

Kofler schätzt umso mehr das aktuelle Privileg, Spitzensportler und derzeit Vorspringer der besten Mannschaft der Welt zu sein. Die andere, gleichsam echte Welt, hat er in seiner Ausbildung zum Inspektor im bundesweit ersten reinen Sportlerzug seit 15 Jahren etwa zusammen mit dem Biathleten Tobias Eberhard und dem Snowboarder Markus Schairer kennengelernt. Der Dienst, sagt Kofler, ist nicht nur Mittel zum Zweck der besseren Trainingsmöglichkeiten und des Backups, das ein Skispringer jederzeit brauchen könnte. Ob aus dem Adler vielleicht einmal eine Cobra wird, kann er aktuell noch nicht sagen. Wohl sagen kann Kofler, dass ihn das gelbe Trikot des Gesamtführenden im Unterschied zum Vorjahr, als er es schon einmal kurz trug, diesmal beflügelt. Und natürlich die gewisse Gelassenheit im Rücken. (Sigi Lützow aus Lillehammer, DER STANDARD, Printausgabe, Dienstag, 6. Dezember 2011)