Bild nicht mehr verfügbar.

Der Balkan, wie hier in Mazedonien, und das Baltikum werden zusehends zum Zielland von Europas Abfall. Zumindest für jenen, der nicht legal entsorgt werden soll.

Foto: Reuters/TEOFILOVSKI

Den Haag / Wien - Im Müll liegen Milliarden. Zumindest, wenn man ihn illegal transportiert und ablagert. Dabei geht es nicht mehr nur um den Transport von Giftstoffen und Elektromüll in Entwicklungsländer, beobachtet die europäische Polizeibehörde Europol. Auch innerhalb Europas wächst das lukrative kriminelle Betätigungsfeld.

Bis zu vier Milliarden Euro Umsatz machen einzelne organisierte Gruppen jedes Jahr mit der Entsorgung. Es geht nicht nur um die italienische Mafia, die in ihrem eigenen Land Schutt und Schadstofffässer vergräbt. Auch kleinere Banden sind transnational organisiert, sagen die Ermittler.

"Wir haben Gruppen, die sich nur auf dieses Geschäft spezialisiert haben und strenge Arbeitsteilung haben. Aber es gibt zusehends auch einzelne Firmen, die dann Teil loser Netzwerke werden können", erklärt ein Europol-Kriminalist, der ungenannt bleiben möchte. Zwei Hauptrouten gibt es: Eine verläuft aus Nordwesteuropa, vor allem den Benelux-Staaten, nach Afrika und in das Baltikum, die andere aus Italien und teilweise der iberischen Halbinsel auf den Balkan, speziell Ungarn, Rumänien und Albanien.

Geschmuggelt wird grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten: Durch legale Firmen, die einen Teil ihrer Ware so günstig loswerden, und durch reine Scheinfirmen. Der Schaden betrifft nicht nur die Umwelt beziehungsweise die Staaten, die Deponien aufwändig sanieren müssen. Vorschriftsmäßig auftretende Firmen werden durch die günstigeren Konkurrenten aus dem Markt gedrängt. Und Städte und Gemeinden entgehen Einnahmen, wenn Firmen ihre Abfälle abseits der offiziellen Wege loswerden.

Geschmuggelt wird fast alles, innerhalb Europas sei es aber laut Europol besonders Haushaltsmüll und Bauschutt. Letzterer wird mitunter auf der Ladefläche der Lkws mit einer dünnen Schicht von "legalem" Müll bedeckt, ehe er in eine Deponie, meist aufgelassene Schottergruben, auf leere Fabrikgelände oder in ehemalige Minen gekippt wird.

Deponien als Polizeihoffnung

Diese Fundorte sind auch der einzig erfolgversprechende Ermittlungsansatz für die Polizei - mittels Rückverfolgung versucht man den Entsorger zu erwischen.

Getarnt wird das illegale Verschwindenlassen auf mehrere Arten. Neben simpler Vermischung werden auch Beamte bestochen, um Exportgenehmigungen zu bekommen. Oder diese Papiere werden überhaupt gleich gefälscht.

Der Grund, warum dieser kriminelle Zweig zusehends attraktiver wird, liegt daran, dass er hohe Profite bei relativ geringem Risiko bringt. Beispiel Österreich: Die höchstmögliche Strafe für organisierte illegale Müllentsorgung, die die Umwelt schwer beeinträchtigt, beträgt zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft. Handelt es sich um einen minderschweren Fall, ist es nur eine Verwaltungsstrafe. Zum Vergleich: Dem Boss einer großen Bande von organisierten Drogenschmugglern kann lebenslang drohen.(Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 6.12.2012)