"Theatre of War"

Foto: Theatre of War

Auf den ersten Blick scheint der Ire Richard Mosse (Website) ein nicht untypischer Fotojournalist, den es zu Orten der Traumatisierung und Verwüstung zieht. Er war in Jugoslawien, im Gazastreifen/der Westbank, in Äthiopien, im Irak (als embedded artist wie Steve McQueen), zuletzt im Kongo. Ein war photographer wie James Nachtwey, der den Mittendrin-Helden alter Schule als Gentleman gibt, ist er aber nicht. Er nähert sich dem Krieg und seinen Folgen von unerwarteter Seite und vermeidet so das dumm Erhabene von Mord, Trauma, Krieg. Die Serie >"Nomads" zeigt Bilder von schusszersiebten Autos, verlassen, after the fact, als Rest, der die Realität der Kampfszene zwar markiert, aber nicht zu evozieren versucht. In >"Infra", der jüngsten Serie, gerade in New York in der Jack Shainman Gallery zu sehen, verwendet er vom Militär benutztes Infrarot-Filmmaterial - die Künstlichkeit der Farben entrückt die Szenerien, in denen ebenfalls Spuren des Kriegs dominieren, dem Kriegsfotografieklischee. 

Im  lesenswerten Interview mit der Zeitschrift "Aperture" aus diesem Sommer (>hier) lernt man Mosse als hoch reflektierten Künstler kennen. Er hat in London englische Literatur studiert und in Yale dann einen Abschluss in Fotografie gemacht. In dem Interview er erklärt aber auch: Seine erste Faszination galt dem Kino, insbesondere der Nouvelle Vague. (Ein längeres Porträt findet sich bei >Artinfo.) Und tatsächlich ist Mosse, der als Fotograf inzwischen viel ausgestellt wird, auch ein bislang vergleichsweise wenig beachteter, aber faszinierender Videokünstler. Der Krieg dominiert auch im Videowerk (das man komplett auf >Vimeo findet) und es finden sich ebenfalls so intelligente wie überraschende Annäherungen ans Thema.

Eher Ursachenforschung als Aftermathfotografie betreibt Mosse in "Fraternity". Die Studentenverbindung, die er dafür in Yale aufsucht, ist KDE (Kappa Delta Epsilon), mit ihren Ex-Mitgliedern Bush jr. und sr., Gerald Ford, Theodore Roosevelt und vielen anderen späteren Eminenzen, wohl die berühmteste des ganzen Landes. Unter aktuellen Verbindungsmitgliedern veranstaltet Mosse nichts weiter als einen Schreiwettbewerb:

Fraternity from Richard Mosse on Vimeo.

Eine faszinierend bizarre Konfrontation montiert "Jew On a Ball", ein Kommentar zum israelisch-libanesischen Krieg 2006. Libanesische Frauen berichten, welche Liebeserklärungen es in ihrer Sprache gibt. Dazwischengeschnitten nackte - jüdische, sagt der Titel - Männer, die sich vergebens auf einem Ball zu halten bemühen. Ein Denkstück, das irritiert, weil darin nichts so ohne weiteres im anderen aufgeht:

Jew on a Ball from Richard Mosse on Vimeo.

Sehr direkt, sehr brutal dagegen, schon der Titel macht daraus keinen Hehl: "Killcam". Ineinander montiert sind hier Egoshooter-Aufnahmen, bei denen Kriegsinvalide Kampfszenen nachstellen, und reale Aufnahmen von Tötungsakten im Irakkrieg. Ausdrückliche Warnung: Hier sieht man - scheinbar videospielartig - real getötete Menschen:

Killcam from Richard Mosse on Vimeo.

Ganz anders, nämlich wie viele der Fotografien im Aftermath-Register die folgenden zwei Videos, die Mosse mit seinem Kameramann Trevor Tweeten als embedded artist im Irak gedreht hat. Beide zeigen geradezu meditative Aufnahmen von Stätten (Uday Husseins Palast) und Gegenständen (Trümmer in der Wüste , die der Krieg gezeichnet und dann zurückgelassen hat. 

Untitled (Iraq) 2009 from Richard Mosse on Vimeo.

Theatre of War from Richard Mosse on Vimeo.