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Wenige Tage vor dem EU-Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs am Freitag gibt die deutsche Blockade gegen Eurobonds wieder ein Stück nach. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt sie zwar zum jetzigen Zeitpunkt strikt ab, im Gegenzug für Änderungen an den EU-Verträgen hin zu mehr Budgetdisziplin hält er sie aber auf Dauer möglich, sagte er in der neuen "Passauer Neuen Presse". "Wenn wir eine echte, stabile und nachhaltige Fiskalunion in Europa erreicht haben, hätten wir eine völlig neue und andere Situation", so Schäuble.

Deutschland und Frankreich könnten Vertragsveränderungen für mehr zentrale Kontrolle der Haushalts- und Finanzpolitik in der Eurozone notfalls zunächst nur im Kreis der reichen Nordeuropäer verabreden, wie der "Focus" unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. In Ratskreisen hieß es, vor allem Großbritannien, aber auch die anderen Nicht-Euro-Staaten drängen darauf, bei einer Vertragsänderung einbezogen zu werden. Neben den Briten sind die Schweden, das rotierende Vorsitzland Polen und Tschechien am stärksten dafür.

Die Krisenländer der Eurozone hingegen könnten sich - in der Hoffnung auf eine für sie günstigere Intervention der von der EU-Politik unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB) - den Vorschlägen für strengere Haushaltskontrollen verweigern. Gedacht haben sie dabei etwa an den Ankauf ihrer schwächelnden Staatsanleihen.

EZB bleibt ihrem Mandat treu – und nicht mehr

Diese Hoffnung dürfte nicht erfüllt werden. Eine andere schon: Die EZB soll auch in Zukunft unabhängig bleiben, an eine Mandatsänderung wird nicht gedacht, hieß es am Wochenende in EU-Ratskreisen. Den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger freut das. Er ist strikt dagegen, die EZB nach dem Vorbild der amerikanischen Notenbank umzugestalten. "Der Ankauf von Staatsanleihen sollte eng begrenzt, gedeckelt und auf Zeit erfolgen", zitiert ihn die "Welt". Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Martin Schulz, fordert in der "Rheinischen Post" dagegen ein stärkeres Eingreifen der EZB in der Euro-Krise. Diese müsse sich am Beispiel der USA orientieren.

Vorbereiten tun den dazu einberufenen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs die EU-Außenminister am Montag. An dem Treffen werden Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) teilnehmen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wird dann einen Zwischenbericht über die Möglichkeiten einer Vertragsänderung präsentieren.

Eurobonds nein, aber

Die Vertragsänderungen sollen weitgehende Sanktionen für jene Länder bringen, die die EU-Verschuldungskriterien brechen. Das ist auch eine Voraussetzung für die Einführung von Eurobonds. Denn eine Vergemeinschaftung der Haftung sei nach den bestehenden EU-Verträgen ausgeschlossen, betonte Schäuble in dem Zeitungsbericht: "Eurobonds kann es nicht geben. Die deutsche Volkswirtschaft wäre überfordert, wenn wir für die Schulden aller Staaten garantieren sollten." Zudem würde der Druck auf die Schuldenländer nachlassen, ihre Probleme zu lösen. "Wenn sich alle an die Stabilitätskriterien halten, lösen sich die Probleme von alleine."

Großzügiger ist da Oettinger. Er warnte davor, gemeinsame europäische Staatsanleihen kategorisch auszuschließen. Er sagte, Eurobonds könnten "einen Schlussbaustein bilden nach und neben den Konsolidierungsmaßnahmen und den Veränderungen im EU-Vertrag von Lissabon".

Noch weiter ging der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) am sonntägigen SPD-Parteitag. Die Staaten der Euro-Zone müssten sich durchringen zu einer strikten Regulierung der Finanzmärkte, forderte Schmidt in seiner ersten Rede auf einem SPD-Parteitag seit 1998. Finanzmarktakteure hätten die "politisch Verantwortlichen in Europa zu Geiseln gemacht". An einer gemeinsamen Verschuldung der Euro-Staaten werde kein Weg vorbeiführen: "Und wir Deutschen dürfen uns dem nicht national-egoistisch verweigern."

Wall Street hofft auf Krisenlösung

US-Finanzminister Timothy Geithner reist vor dem Hintergrund der Euro-Schuldenkrise am Dienstag nach Europa. Zum Auftakt trifft Geithner demnach am 6. Dezember in Frankfurt am Main auf EZB-Präsident Mario Draghi und Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Am Nachmittag steht anschließend in Berlin ein Gespräch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf dem Programm.

Am Mittwoch kommt Geithner mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und Finanzminister François Baroin, später mit dem designierten spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zusammen. Zum Abschluss seiner Visite will sich Geithner mit Italiens Regierungschef Mario Monti treffen.

Auch an den US-Börsen heißt es Europa, Europa und wieder Europa. Zwischen Hoffen und Bangen schwanken die Anleger, wenn die Europäische Union (EU) um die Zukunft ihrer Währungsunion ringt. Positive Signale aus Europa bescherten dem maßgeblichen Börsenindex "S&P 500" schon in der vergangenen Woche die beste Bilanz seit über zwei Jahren. Um satte 7,4 Prozent kletterte der Index in die Höhe, nachdem die Zentralbanken die Finanzmärkte in einer koordinierten Aktion mit Geld geflutet hatten. 

US-Analysten fordern Initiative

"Diese Woche blicken alle auf den anstehenden Gipfel", sagte Ken Polcari von ICAP Equities in New York. "Aber man darf nicht vergessen, dass dies bereits der 15. Gipfel der Krise ist." Immer wieder schürten solche Treffen die Erwartungen der Marktteilnehmer, und immer wieder seien sie enttäuscht worden. Doch obwohl die Nervosität groß bleibt, macht sich angesichts der jüngsten Schritte in Europa bei immer mehr US-Anlegern neuer Optimismus breit. Der Vergleich mit dem Bankrott der US-Investmentbank Lehman Brothers auf dem Höhepunkt der Finanzkrise liegt für sie auf der Hand.

Die Europäer schienen schließlich doch den Ernst der Lage zu erkennen, sagte Phil Orlando von Federated Investors. "Sie machen sich endlich klar, dass dies ihr Lehman-Ereignis ist und sie dasselbe tun müssen, wie wir damals in der Zeit von 2007 bis 2009." Skeptiker führen aber noch ins Feld, dass die als positiv gewerteten Entscheidungen der Politik auch noch in die Tat umgesetzt werden müssen. Und dies könnte angesichts der drohenden Rezession im kommenden Jahr schwierig werden, sagte Nicholas Colas von ConvergEx. (sos/APA/derStandard.at, 4.12.2011)