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Foto: AP/Mohammed

Zum 7. Mal war Joseph R. Biden soeben als Barack Obamas Vizepräsident im Irak und zum 16. Mal seit 2003, hat die New York Times nachgezählt: Und er habe, berichtet sie, in den vergangenen Jahren ein „enzyklopädisches Wissen der irakischen tribalen Politik" entwickelt. Zu wünschen wäre, dass er sich nicht nur mit den Stämmen auskennt - aber vielleicht ist ja „tribal" nur eine Metapher für die Gesamtheit der vielen möglichen irakischen Affiliationen. Jedenfalls wird es wohl der letzte Besuch des US-Vizepräsidenten gewesen sein, bevor Ende des Jahres die allermeisten US-Soldaten abziehen und damit der amerikanische Irak-Krieg nach beinahe neun Jahren beendet ist.

Dass die US-Armee abzieht, hat weniger mit dem Wahlversprechen Obamas zu tun als mit dem Auslaufen der bilateralen Vereinbarung über die Stationierung von US-Truppen im Irak. Obama hätte sein Wahlversprechen gerne gebrochen - zu wichtig erscheint eine Fortsetzung der US-Präsenz im Irak, angesichts des bedrohlicher werdenden Irans -, aber die Verhandlungen zwischen Washington und Bagdad sind gescheitert.

Ob sich noch jemand erinnert, dass Senator Biden 2006/2007 als Champion einer Teilung des Irak in drei völlig autonome Regionen - eine sunnitische, eine schiitische und eine kurdische - auftrat? Der norwegische Irak-Experte Reidar Visser macht sich in seinem Blog darüber lustig, dass Biden, als er Vizepräsident wurde, das Wort „Föderalismus" nicht einmal mehr erwähnen durfte, und dass aber gerade jetzt, rund um seinen letzten Besuch bei den US-Truppen im Irak, eine Föderalismusdiskussion am Laufen sei, und zwar ausgerechnet in der sunnitischen Provinz Anbar, die sich gegen alle Verfassungsregeln - aber die gelten im Irak ohnehin nicht viel - zur „Region" erklären will: Diese Sehnsucht nach Autonomie, so Visser, sei heute aber nur ein alarmierendes Zeichen für das Scheitern des - mehr als eineinhalb Jahre nach den Wahlen! - noch immer nicht abgeschlossenen Regierungsbildungsprozess im Irak. Der Zweitplatzierte in diesem Wahlen, Regierungschef Nuri al-Maliki, hat - mit Hilfe der Amerikaner und der Iraner - die Macht ergriffen und teilt sie nur ungern mit der Gruppe um den Wahlsieger Iyad Allawi. Aber wie um den US-Abzug nicht atmosphärisch zu verderben, greift heute kaum mehr jemand die politisch brisante Situation auf, in dem die USA ihren „befreiten" Irak zurücklassen.

Die vergangene Woche ist im Irak auch, was die Sicherheitslage betrifft, nicht gerade ermutigend verlaufen: Eine Serie von Attentaten hat Dutzende Tote gefordert, und die Angst, dass der Kampf um die Macht noch einmal neu aufgenommen wird, wenn die Amerikaner weg sind, wächst. Wie ein Mantra wird von der irakischen Regierung und den abziehenden Amerikanern beschworen, dass der Irak alleine für seine innere und äußere Sicherheit sorgen kann, aber wirklich glauben kann das niemand. Der Testfall könnte bei einer totalen Destabilisierung Syriens mit Overspill bald eintreten. Fast pathetisch klingt die Nachricht, dass nun ein (sic!) irakischer Kampfjet - eine „modifizierte" zivile Maschine - den irakischen Luftraum kontrollieren wird. Bis der Irak die von den USA bestellten achtzehn Stück F-16 Kampfflugzeuge bekommen, wird es noch eine Weile dauern. Die erste Rate der drei Milliarden Dollar, die sie kosten werden, ist jedoch immerhin bereits überwiesen.

Darüber, wie viele US-Militärs auch noch nach Jahresende im Irak bleiben, wenn auch nicht im Rahmen eines Armee-Einsatzes, ist noch immer nicht das letzte Wort gesprochen: Da ist einmal das in die US-Botschaft eingebundene Personal (wobei dieses nicht nur aus US-Armee, sondern auch aus Angestellten von Sicherheitsfirmen besteht). Welche Ausbildungsmissionen für die irakische Armee - nicht zuletzt, weil sie an in den USA gekauftem Gerät geschult werden muss - aufgestellt werden und wie viele US-Soldaten dafür im Irak verbleiben werden, ist noch nicht fertig ausgehandelt.

Fortgesetzt werden wohl die schon laufenden Trainingsmissionen im Rahmen des „Office of Security Cooperation - Iraq" (OSC-I) an zehn verschiedenen Orten im Irak, von Erbil im Norden bis Umm Qasr im Süden. Das OSC-I ist insgesamt knapp 1000 Mann stark. Die Basis dafür liefert das „Strategic Framework Agreement for a Relationship of Friendship and Cooperation between the United States of America and the Republic of Iraq", das neben dem „Status of Forces Agreement" (das die Modalitäten für die US-Truppenpräsenz und das Abzugsdatum festlegte) noch von der Regierung von George W. Bush im November 2008 abgeschlossen wurde und, wie es der Titel sagt, die Grundlage einer weiteren strategischen Zusammenarbeit bilden soll. Es ist aber sehr vage gehalten - und ein anderer strategischer Partner des Irak heißt Iran.