Pristina/Belgrad/Brüssel - Serben und Kosovo-Albaner haben sich nach dreitägigen Verhandlungen unter Vermittlung der EU auf die Kontrolle der gemeinsamen Grenzen geeinigt. Das teilten alle drei Seiten am Samstag in Brüssel mit. Am Freitag hatte die serbische Seite eine Einigung noch dementiert. "Es gibt eine Lösung, wir haben zugestimmt", bestätigte am Samstagabend aber auch Serbiens Staatspräsident Boris Tadic am Rande einer internationalen SPD-Konferenz in Berlin. Serbien hofft, mit dieser Einigung doch noch den Weg freizumachen für seinen EU-Beitrittskandidatenstatus.

Albaner und Serben lieferten jedoch völlig gegensätzliche Darstellungen über die Inhalte des Abkommens. Ungeachtet der unterschiedlichen Interpretationen der Einigung lobte EU-Vermittler Robert Cooper die großen Fortschritte durch die Kompromisslösung. Zunächst hatte Serbien bestritten, dass es überhaupt eine Vereinbarung gibt. Der Chef des serbischen Verhandlungsteams, Borko Stefanovic, hatte erklärt, es fehle noch das "I-Tüpfelchen".

Unterschiedliche Interpretation

Die albanische Verhandlungsführerin Edita Tahiri berichtete, alle Grenzübergänge zwischen den beiden Staaten würden in Zukunft von albanischen und serbischen Zöllnern und Polizisten gemeinsam verwaltet. Die Behörden beider Länder seien dabei gleichberechtigt. Der serbische Chefunterhändler Borislav Stefanovic sagte dagegen in Brüssel, nach der Vereinbarung hätten die Serben das Sagen, während die Albaner nur "Beobachter" seien.

Während serbische Zöllner und Polizisten nach dieser Vereinbarung wieder ins Kosovo zurückkehren würden, hätten deren albanische Kollegen keinerlei Befugnisse, beschrieb Stefanovic die Abmachung weiter. Auch dürfe die albanisch geführte Kosovo-Regierung an den Grenzen weder Nationalfahnen noch schriftliche Hinweise auf ihr Staatsgebiet anbringen.

Die Interpretation der albanischen Seite liefe darauf hinaus, dass Serbien erstmals Kosovo in der Grenzverwaltung als gleichberechtigten staatlichen Partner anerkennen würde. Nach der serbischen Lesart hätte die albanische Seite umgekehrt einen Rückzieher gemacht, weil sie sich an den Grenzen den serbischen Behörden unterordnete.

Serbien hofft nun wieder auf die Zuerkennung des EU-Beitrittskandidatenstatus. In EU-Kreisen in Brüssel war wegen der Haltung Serbiens im Grenzkonflikt bei einigen Ländern die Skepsis gewachsen, ob Serbien der Kandidatenstatus für einen EU-Beitritt gewährt werden solle. Dazu zählten auch Österreich und Deutschland.

Vor allem angesichts der jüngsten Ereignisse zwischen Serben und der internationalen Schutztruppe KFOR im Nordkosovo mit zahlreichen Verletzten, darunter österreichischen und deutschen Soldaten, sei die Zahl der Länder, die sich kritisch und "sehr nachdenklich" äußerten, auf zumindest fünf angestiegen, hieß es.

Allerdings gelte es, zunächst den Bericht des EU-Vermittlers im Dialog zwischen Belgrad und Pristina (Prishtina), Cooper, abzuwarten, der demnächst vorliegen soll. "Die Situation ist im Fluss", hieß es aus EU-Ratskreisen.

Kosovo-Serben lehnen Abkommen ab

Die Kosovo-Serben lehnen das von der EU vermittelte Abkommen zwischen Serbien und der albanisch geführten Kosovo-Regierung über die gemeinsamen Grenzen ab. Das sagte der Bürgermeister der serbischen Gemeinde Zubin Potok in Nordkosovo, Slavisa Ristic, am Samstag der Belgrader Nachrichtenagentur Beta. Nach dem wenige Stunden zuvor in Brüssel bekanntgegebenen Abkommen, sollen Albaner und Serben gemeinsam die Grenzübergänge kontrollieren.

"Es ist eine Tatsache, dass es zwischen dem Kosovo und Zentralserbien eine Grenze geben wird", begründete Ristic seinen Standpunkt. "Das kann man nicht anders interpretieren als die Anerkennung der Kosovo-Selbstständigkeit". Seine Landsleute im Kosovo wollten aber auf keinen Fall in einem souveränen Staat Kosovo leben. Daher forderte Ristic die Serben in Nordkosovo auf, weiter ihre rund 20 Barrikaden zu verteidigen, mit denen sie seit vier Monaten den Verkehr lahmlegen.

Sie wollen damit den Abzug von Zöllnern und Polizisten der albanisch dominierten Kosovo-Regierung von zwei früher serbisch kontrollierten Grenzübergängen erzwingen. Die Serben in Nordkosovo wollen weiter zu Serbien gehören, obwohl das fast nur noch von Albanern bewohnte Kosovo vor knapp vier Jahren seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hatte. (APA)