Rund 250 große Weihnachtsmärkte wetteifern in Österreich um Besucher. Ihre Geschäfte gelten als krisenresistent, die Preise für die Standplätze blieben heuer überwiegend stabil.

Foto: Standard/Fischer

Wien - Heinz Meiers gesamtes Vermögen steckt in Glassteinen. Mehr als zwei Tonnen erwarb der Berliner vor einem Vierteljahrhundert. Es waren Restbestände einer Gablonzer Firma. Da ihm die historischen Teile keiner abnahm, lötet er seither daraus bunte Lämpchen. Seinen Urlaub verbringt er dick vermummt am Wiener Karlsplatz und sieht die Weihnachtsmarktbesucher an seinem Stand vorbeiziehen.

Mitunter brauchte es vier Jahre, bis sich Kunden für seine kleinen Kunstwerke entschieden - Preise von bis zu 80 Euro sprengten viele Budgets. Aber er finde es schön, dass sie ihnen lange nicht aus den Köpfen gingen, sinniert der Elektrotechniker. Vielleicht zweimal könne er hier noch mit dabei sein. Dann habe sich sein Vorrat an alten Glassteinen erschöpft.

Bis zu 50 Euro ist den Österreichern der Besuch der Weihnachtsstände wert, errechnete der Marktforscher Cima. Rund die Hälfte davon sichern sich freilich Punschverkäufer und Gastronomen. Echte Goldminen seien das, sagt eine junge Händlerin und deutet auf die Glühweintöpfe. Die erste Woche habe ein Drittel mehr Umsatz gebracht als jene im Vorjahr.

"Glauben Sie mir, diese Puffer sind ein Gesamtkunstwerk, sogar die Frittiermaschine ist selbstgebaut", lässt ein Besucher den Vorwurf des fetten Fastfoods nicht gelten. Unter Stammgästen heiße Alexander Horvath nur noch "der Erdapfel", obwohl er sie nur rund um die Weihnachtszeit herausbacke. Sie mit den Allerweltspuffern der Maronibrater in einen Topf zu werfen sei schlicht ein Frevel.

Abseits des Kitsches der Christkindlmärkte sehen sich auch die Künstler vom Karlsplatz. Wobei es hinter dem Gebälk da und dort rumort. Von Plagiaten und Betriebsspionage ist die Rede. Fotografieren der Keramik ist vereinzelt verboten, und wer in Hausfrauenmanier mehr über die Stricktechnik von so mancher Wollhaube erfahren will, erntet Misstrauen.

Mit Riesenobjektiven von allen Seiten wurden Häferln ihrer Chefin fotografiert, später fand sie ihre Markenzeichen auf fremden Werken wieder, weiß Verkäuferin Sophie. Es finden sich immer Nachahmer, seufzt Walpurga Kleinsasser, ihre Tochter lasse sich daher stets etwas Neues einfallen, "und das handgedrehte Porzellan soll ihr erst einmal wer nachmachen". Fünf Wochen hält die Steirerin in Wien für sie in der Kälte die Stellung. "Einmal Mutter, immer Mutter. Außerdem macht's Spaß."

Spannungsgeladen ist die Stimmung zwischen zwei Instrumentenbauern. Seine Schnatterliesln, Brummtöpfe und Nasenflöten seien keineswegs Kopien, versichert Kurt Kostynski. Klar sei jeder gern Platzhirsch, "aber keiner ist Erster - irgendwo gibt es alles schon".

In der Welt der Künstler nicht allein fühlt sich Reinhard Ferstl - mit seinen Schrottwerken. Geradezu verblüffend sei es, dass er sie zu Weihnachten verkaufe, sagt der Bayer. Einst handelte er mit Werkzeug, dann packten ihn Muse und Geschäftssinn. "Fünf Euro bekam ich für eine Schmiedezange, wird sie ein Vogelschnabel, ist das ganze 200 Euro wert." Im Zug seien sie mit so einem Viech kürzlich gesessen, erzählt ein Ehepaar und ordert ein hüfthohes Exemplar. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe; 3./4.12.2011)