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Sind kein Paar mehr: Monsieur de Chenneviette (André Pohl) und Lucette (Sona MacDonald) im Theater in der Josefstadt.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Von den elf wichtigsten Regeln für eine gute Komödie nach Preston Sturges treffen gleich zwei auf Georges Feydeaus Vaudeville-Klassiker Ein Klotz am Bein zu. Erstens: Ein Bein ist besser als ein Arm. Zweitens: Wenn jemand auf den Arsch fällt, ist das besser als alles andere. Dafür muss man in Michael Kreihsls Josefstadt-Inszenierung nicht sehr lange warten:

Siegfried Walther als talentloser und auch sonst tollpatschiger Schreiber Bouzin plumpst dergestalt vom unter seinem Gewicht wabernden Aufblasfauteuil in Lucette Gautiers Empfangssalon. Er war gekommen, der Varieté-Sängerin einen seiner neuen Songtexte anzutragen, ein Werk des Stumpfsinns leider ("Die Nadel in der Wolle"!), darüber lacht es sich leicht.

Und doch kommt Michael Kreihsls Inszenierung dann nicht so recht auf die - tja: Beine. Es gehört zum schwierigsten in diesem Fach, eine in ihren dramaturgischen Manövern und Dialogen so präzise geschnürte Komödie wie Feydeaus Ein Klotz am Bein mit entsprechendem Gewinn zu inszenieren. Manchmal sind es übertemperierte Schauspieler, die mit ausladenden Gesten die Laster und Eigentümlichkeiten ihrer Figuren strapazieren oder Witze über Gebühr ausstaffieren, sodass alles zusammen letztlich fahl erscheint.

Georges Feydeau lässt die moralischen Gebrechen der bürgerlichen Gesellschaft in verrückten, überspannten Kulminationen aufleuchten. An Übertreibungen mangelt es nicht, auch nicht an der Exzentrik der Beteiligten.

Der "Klotz am Bein", das ist die feurige Geliebte Lucette (Sona MacDonald), die Fernand (Raphael von Bargen) noch rechtzeitig vor seiner Eheschließung mit Viviane (Ruth Brauer-Kvam) loswerden muss.

Der Ehevertrag pressiert, doch Fernand ist nicht Manns genug, mit der abzuservierenden Dame Klartext zu reden. Und auch dann, wenn Lucette ihm die Worte schon förmlich in den Mund legt, schreckt dieser Mann vor der halsbrecherischen Wahrheit, vor der Endgültigkeit seines Beschlusses und dessen Konsequenzen weiter zurück.

Kreihsl dehnt diesen zentralen Moment schön aus, da erblühen die Schwächen des Menschseins zur vollen Pracht. Zunehmend aber wird der Atem des Stücks flacher. Es wirkt trotz seiner inwendigen Aufmüpfigkeit gar bieder.

Das können auch Kurio-sitäten nicht überdecken: Toni Slama als General Irrigua, der als ungebremster Freier mit spanischem Akzent für schlimme Versprecher sorgt: "Ich bin ganz der Irrrre!" André Pohl als taffer Ex-Mann. Gertraud Jesserer als unterkühlte Gräfin, an der sämtliche Blödheiten der Anwesenden wie Gummibälle abprallen. Auch nicht die aufgeweckte Braut (Brauer-Kvam), die sich im Innersten einen schlimmen Finger zum Mann wünscht, also ihrerseits offen auf die vorgesehene Norm eines rechtschaffenen Gatten pfeift. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD - Printausgabe, 3./4. Dezember 2011)