Wien - Die EU-Politiker sprechen aktuell von zehn entscheidenden Tagen für Europa. Und dann? Kommt dann der große Kollaps? "Nein", sagt Jan Amrit Poser, Chefökonom und Leiter vom Research der Bank Sarasin. Der große Kollaps komme nicht. Zwar gebe es den Eindruck, dass an irgendeinem Tag der Euro von selbst zerbrösle, sagt Poser zum Standard. Auch das sei aber Unsinn, zumal sich die Gemeinschaftswährung als relativ stark erweise.

Das Euroland ist laut dem Ökonom eine Schicksalsgemeinschaft, aber auch eine Friedensgemeinschaft, "die nicht von ein paar Finanzmärkten zerschossen werden kann". Denn letztlich habe sich auch in Griechenland gezeigt, dass sich trotz aller Probleme rund 70 Prozent der Bevölkerung für den Euro ausgesprochen haben.

Starke Signale

Zudem sendet Europa starke Signale: Der deutsche Bundestag hat mit deutlicher Mehrheit für den Rettungsschirm gestimmt, in der Slowakei hat die Premierministerin Iveta Radicova gar den Sturz der Regierung in Kauf genommen, um der Reform des Eurorettungsschirms zuzustimmen. In Italien ist mit Mario Monti ein absolut proeuropäischer Politiker an die Macht gekommen, ebenso in Griechenland.

Dennoch gebe es laut Poser die Wette der Finanzmärkte gegen den Zerfall der Eurozone. "Das Gefährliche daran ist, dass dies zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden könne." Denn je mehr ein Staat sparen müsse, desto schwächer sein Wachstum, desto größer der Zweifel daran, dass das Land aus den Schulden heraus komme und desto höher die Risikoprämie. "Weil Investoren die Staaten nicht mehr für solvent halten und höhere Zinsen verlangen, sind sie auch nicht mehr solvent. Dieser Teufelskreis gehört unterbrochen", sagt Poser.

Was es dafür braucht? "Eine Zusage für unlimitierte Finanzierung", wie der Ökonom festhält. "Bei der Euroeinführung hat man gedacht, dass die Finanzmärkte die Staaten schon dazu bringen werden, sich wohl zu verhalten", sagt Poser. Die große Hoffnung sei gewesen, dass jene Länder die höhere Zinsen zahlen müssen, dadurch erst gar nicht so hohe Schulden machen können. "Die Märkte sind nun aber von dieser Selbstgefälligkeit in absolute Panik geschlittert."

Um sich aus der Krise zu befreien, braucht es laut Poser für einige Jahre auch sogenannte Not-Anleihen. Damit würden die neuen Schulden gemeinsam gemacht, bis sich die Länder wieder selbst finanzieren können. "Dieses Vorhaben durch alle Instanzen zu bekommen, ist aber ein riesiger Kraftakt", sagt der Ökonom.

Den Eurobonds steht Poser skeptisch gegenüber. Diese würden jeden Anreiz vernichten, dass die Länder Haushaltsdisziplin an den Tag legen würden.

An Europa hält der Ökonom aber fest. "Euroland wird in zehn Jahren nicht kleiner, sondern größer sein. Es wird niemand rausgegangen sein. Wir werden Lettland, Litauen und Polen noch mit dabei haben." (Bettina Pfluger, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.12.2011)