Gerhard Botz ist einer der international renommiertesten österreichischen Zeithistoriker.

Foto: Ludwig Boltzmann-Institut für Historische Sozialwissenschaft

Wien - Gerhard Botz, einer der international renommiertesten österreichischen Zeithistoriker, ist im März 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass ist nun eine Festschrift erschienen, die Beiträge von Weggefährten wie Ian Kershaw oder Ruth Beckermann vereint und das Leben eines wissenschaftlichen Querdenkers nachzeichnet. Das am Donnerstag Abend in Wien präsentierte Werk (Böhlau Verlag) setzt sich auf eine sehr persönliche Weise mit dem Tabubrecher und "Schattenvermesser" sowie seinen wichtigsten Forschungsthemen auseinander.

Gerhard Botz wurde am 14. März 1941 in Schärding (OÖ) geboren. Im Laufe seines Studiums der Geschichte kristallisierten sich bald seine bis heute wichtigsten Forschungsschwerpunkte - politische Gewalt und autoritäre Regime - heraus. Abstecher führten ihn aber auch zur Biologie, Sozialstatistik und Filmgestaltung.

Dieser Werdegang fernab "disziplinärer Engstirnigkeit" und die Begeisterung für quantitative Methoden ließen ihn 1982 das Ludwig Boltzmann-Institut für Historische Sozialwissenschaft gründen, das er bis heute leitet. 1979 wurde er als Professor für Zeitgeschichte nach Salzburg berufen, zahlreiche Gastprofessuren später (Minnesota, Stanford, Paris) wurde er 1997 Professor für Zeitgeschichte in Wien. 2009 emeritierte er im Alter von 68 Jahren.

Zu Botz' wichtigsten Werken zählen Monografien aus den 1970er Jahren über den "Anschluss" sowie Fallstudien über Wien im Nationalsozialismus. Auch die damals in Österreich noch neue Methode der "Oral History" wurde von ihm maßgeblich mitgeprägt.

Wissenschaftliches und gesellschaftspolitisches Engagement war im Werk von Botz immer untrennbar verknüpft, der Nationalsozialismus sein wichtigstes Forschungsgebiet - auch im Privaten. Vor allem der frühe Tod seines Vaters 1944 war ein einschneidendes Erlebnis: 60 Jahre später widmete sich Botz seinem Vater als "Nazi und Kriegsopfer" und prägte so, wie Ernst Hanisch in der Festschrift schreibt, in exemplarischer Weise "die Auseinandersetzung mit dem Nazivater" für diese Generation von Wissenschaftern.

"Lebenslüge" der Zweiten Republik

Aber auch die Auseinandersetzung mit belastender Geschichte auf gesamtgesellschaftlicher Ebene rund um die Affäre Waldheim war Botz' Arena: Hier war es die "Lebenslüge" der Zweiten Republik, die "Opferthese", die er in programmatischen Aufsätzen wissenschaftlich widerlegte.

Wie kein anderer scheint Gerhard Botz für diese Rolle des Tabubrechers berufen zu sein: Als "alttestamentarischen Richter", als "Demagogen und Aufklärer" mit ausgeprägter Lust an der Provokation sieht ihn etwa Peter Dusek, langjähriger ORF-Archivchef, in der Festschrift. Als "Reibebaum" und streiterfahren bezeichnet ihn auch sein Kollege Helmut Konrad. Nicht umsonst enthält die Festschrift ein Kapitel mit dem Titel "Botz verstehen!".

Provokant und genial: Die unkonventionelle Art auf historische Fragen zuzugehen machte ihn bei der Erforschung des Justizpalastbrands 1927 laut der "Zeit" zum "Schattenvermesser": Mithilfe der Schatten auf historischen Fotografien sowie nachgestellten Vergleichsaufnahmen gelang es ihm, die genaue Chronologie der Ereignisse zu rekonstruieren.

Um diesem umfangreichen Schaffen gerecht zu werden, haben vier Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Historische Sozialwissenschaft und Freunde eine Festschrift zusammengestellt, die mit Beiträgen von internationalen und österreichischen Größen der Wissenschaft, Kunst und der Gesellschaft aufwartet. Persönlich gehaltene Erinnerungen werden hier mit wissenschaftlichen Beiträgen zu Botz' Forschungsschwerpunkten verknüpft.

Das Buch wurde am Donnerstag Abend im Beisein des Geehrten präsentiert, Fachkollege Ian Kershaw, renommierter britischer Historiker, hält einen Vortrag zum Thema "Hitlers Popularität und nationalsozialistische Gewalt". (APA)