Pünktlich zur kalten Jahreszeit stehen Enteisungsmittel im Regal. PKW Fahrer kommen mit geringen Mengen durch den Winter. Anders im Flugverkehr: Allein für die Enteisung eines Langstreckenflugzeuges werden etwa 3.600 Liter Enteisungsmittel verbraucht. Seit einigen Jahren enthalten viele dieser Mittel Benzotriazol. Benzotriazol hat die Eigenschaft, Korrosion zu verhindern. Es schützt Materialien und Bauteile und beugt Sicherheitsrisiken vor. Auch in Geschirrspülmitteln, Bremsflüssigkeiten und in Kühlsystemen ist Benzotriazol enthalten. Seit einigen Jahren steigt die Menge an Benzotriazol auch in der Umwelt an. Nun wurde die Chemikalie erstmal auch in relevanten Mengen in der Nordsee nachgewiesen.

Wissenschafter weisen diese Chemikalie vermehrt in Gewässern nach, auch im Grundwasser. Denn dieser Stoff hat bestimmte Eigenschaften: Benzotriazol ist gut wasserlöslich, lässt sich schwer binden und wird biologisch nur schwer abgebaut. Es kann Kläranlagen quasi ungehindert passieren. Von dort gelangt es in Flüsse, Seen und Meere. Für Wasserorganismen ist Benzotriazol als giftig eingestuft. Die Auswirkungen für die Umwelt lassen sich derzeit nur schwer abschätzen.

Hendrik Wolschke vom Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht hat im Rahmen seiner Diplomarbeit gemessen, wie viel Benzotriazol in die Nordsee eingetragen wird. Denn im Gegensatz zu anderen Gewässern, liegen für die Meere noch keine Messdaten vor. "Mich interessiert, wie viel Benzotriazol über die unterschiedlichen Zuflüsse in die Nordsee fließt und wie sich die Chemikalie dort räumlich und saisonal verteilt", so Wolschke. Von Bord des Forschungsschiffes Ludwig Prandtl hat der Umweltwissenschafter zu unterschiedlichen Jahreszeiten Wasserproben in der Elbe, Weser und Ems genommen. Stichprobenartig wurden der Rhein und einigen Zuflüsse in Belgien und den Niederlanden untersucht. Für die Proben aus der Deutschen Bucht war Wolschke mit dem Forschungsschiff Heinke unterwegs.

In Flüssen und im Meer

In allen Proben wurde Benzotriazol nachgewiesen, wobei die Konzentration in den Flüssen um ein vielfaches höher liegt als in der Deutschen Bucht. In der Elbe sinkt die Konzentration von etwa 300 Nanogramm Benzotriazol pro Liter im Hamburger Hafen auf etwa 20 Nanogrammn pro Liter im äußeren Mündungsbereich. In der Elbe wurden vor allem im März hohe Konzentrationen gemessen, die auf den Einsatz von benzotriazolhaltigen Enteisungs- und Frostschutzmitteln in den Wintermonaten schließen lassen.

Die Datenauswertungen des Umwelt-Wissenschafters ergaben eine Gesamtmenge von etwa 80 Tonnen Benzotriazol, die 2010 in die Nordsee eingetragen wurden - rund 75 Prozent davon über den Rhein. Der zweitgrößte Zufluss kommt aus der Elbe. In der Nordsee wird Benzotriazol durch die große Wassermenge stark verdünnt, ein Abbau konnte nicht beobachtet werden. Benzotriazol weist in der Gruppe der so genannten Polaren Organischen Schadstoffe eine vergleichsweise hohe Konzentration auf. Daher sollten die weiträumige Verbreitung und die Langlebigkeit von  Benzotriazol im globalen Wasserkreislauf weiter beobachtet und untersucht werden. (red)