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Carsten Maschmeyer im Zwielicht.

Foto: EPA/Steffen

Wien - Der Finanzdienstleister AWD muss sich in Österreich wegen des Verkaufs von Immofinanz- und Immoeast-Aktien seit fast drei Jahren vor Gericht herumschlagen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) wirft dem AWD vor, Kleinanlegern die Papiere in großem Stil als sichere Anlage verkauft zu haben. Fünf Sammelklagen im Namen von 2.500 mutmaßlich Geschädigten und einem Streitwert von 40 Mio. Euro sind gerichtsanhängig. Im April hat der VKI auch eine umfangreiche Strafanzeige wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Als Verdächtige werden AWD-Gründer Carsten Maschmeyer sowie aktuelle und frühere Geschäftsführer von AWD Österreich und das Unternehmen selbst ausgemacht. Die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt in der Causa AWD "gegen rund 20 Personen aus dem Kreis des Managements", bestätigte der Sprecher der Anklagebehörde, Oberstaatsanwalt Martin Ulrich, am Mittwoch.

Wie lange die Ermittlungen noch dauern, ist noch nicht absehbar. "Das hängt vom Verlauf der Prüfung ab", sagte Ulrich. Er bestätigte auch, dass seine Behörde bereits "mehrfach Vernehmungen durchgeführt" hat. Rund 1.800 vom VKI vertretene Anleger wollen sich einem etwaigen Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen. Der AWD weist die Vorwürfe "mit aller Entschiedenheit und auf das Schärfste" zurück und erwägt rechtliche Schritte.

Wie in den Zivilklagen lautet der Hauptvorwurf des VKI auf systematische Fehlberatung. Offenbar haben die Verbraucherschützer in den vergangenen Jahren umfangreiches Material zur Causa AWD gesammelt - von internen Schulungsunterlagen bis hin zu Verträgen und brisanten Aussagen ehemaliger hochrangiger Manager über das "Innenleben" des Strukturvertriebs. Die VKI-Anwälte von der bekannten Wiener Kanzlei Soyer & Partner sowie Rechtsvertreter Stephan Briem haben die Erkenntnisse des Vereins in eine 83 Seiten starke Strafanzeige gepackt, die der APA vorliegt. Im September und Oktober folgten zwei Nachträge mit neuem Beweismaterial.

Sein und Schein

Der VKI kommt zum Schluss, dass Maschmeyer, bis 31. September 2009 Vorstand der deutschen AWD Holding AG, "maßgeblich für die Entwicklung und Durchsetzung der betrügerischen Strategie des AWD" verantwortlich gewesen sei. Sein unternehmerisches Verhalten sei geprägt von einer "Diskrepanz zwischen Sein und Schein".

Auch die AWD-Geschäftsführung die zweite Managementebene, die Direktoren, sowie die AWD Gesellschaft für Wirtschaftsberatung GmbH in Wien sehen die Konsumentenschützer in der Pflicht. Sie hätten die einfachen AWD-Vermittler (Agenten) in ihrem "betrügerischem Verhalten" verstärkt, nämlich Kunden zu täuschen, um möglichst hohe Provisionen zu kassieren. Das System AWD sei so aufgebaut, dass es für risikoreichere Produkte, die noch dazu lange gehalten wurden, das meiste Geld gebe. Dieses "skrupellose Verhalten" habe letztendlich zehntausenden Anlegern hohe Verluste beschert.

Die Verdächtigen - 20 an der Zahl - werden allesamt des schweren gewerbsmäßigen Betrugs gemäß Strafgesetzbuch (StGB) bezichtigt: Der AWD habe seine Kunden nicht über das Risiko von Immofinanz- bzw. Immoeast-Aktien aufgeklärt und zur einseitigen Übergewichtung des Portfolios in Immobilienaktien geraten. Die Papiere seien unter Hinweis auf das "einseitige, irreführende und tendenziöse" Sachverständigengutachten von Leopold Wundsam unrechtmäßig als mündelsicher angepriesen, die Veranlagung in einzelne Immobilienaktien in betrügerischer Absicht als Veranlagung in "Immobilienfonds" bezeichnet worden. Der AWD hätte sich aus Sicht des VKI auch nicht als "unabhängiger Finanzoptimierer" bezeichnen dürfen.

Besonders viel Raum widmen die VKI-Anwälte dem aus ihrer Sicht "hoch komplizierten und intransparenten" Provisionssystem des AWD. Hier stützen sie sich unter anderem auf die Aussagen eines ehemaligen hochrangigen AWD-Managers, der unter dem Pseudonym Maximilian von Ah über seine Zeit beim AWD einen Roman verfasst hat und am 10. November 2011 auf Einladung des VKI bei einem Hintergrundgespräch in Wien Journalisten tiefe Einblicke in die internen Abläufe von Strukturvertrieben gewährt hat. Am selben Tag packte der Deutsche auch bei der hiesigen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aus und bekräftigte dort seine Aussagen; das Zeugenvernehmungsprotokoll liegt vor. Von Ah hatte laut Eigenangaben bereits 1989 beim AWD angeheuert und ab 1992 das Vertriebsnetz in der Schweiz aufgebaut. Zum Schluss hatte er 500 Mitarbeiter unter sich, 1995 kam es wegen unklarer Geldflüsse zum Bruch mit Maschmeyer, von Ah kündigte fristlos. Bei seiner Vernehmung in Wien ging von Ah nicht nur auf die Arbeitsweise des AWD ein (Ablauf von Schulungen, Verkaufsrhetorik), sondern auch auf das Provisionssystem. Laut von Ah drängen Strukturvertriebe ihre Vermittler in die Schuldenfalle, sie durchschauten das System selbst erst nach und nach. Vor Journalisten in Wien sprach er sogar von"psychologischem Infiltrieren" und machte klar: "Das ganze ist ein System."

Aussagen von Beratern

Dieser Argumentation schließt sich der VKI in seiner Strafanzeige an - und untermauert seine Vorwürfe zusätzlich durch zahlreiche Aussagen von ehemaligen AWD-Beratern, die zum Teil in Zivilprozessen vor Gericht als Zeugen einvernommen wurden. Die AWD-Vermittler, so der VKI, seien sozusagen Systemopfer respektive "instrumentalisiertes Werkzeug" gewesen. Ihnen seien "unrealistisch hohe Einkommen" in Aussicht gestellt worden, in Wirklichkeit seien viele nach Abgrasen ihres Familien- und Bekanntenkreises "ernüchtert" wieder ausgeschieden.

"Das Verhalten der Führungskräfte des AWD gegenüber den AWD-'Beratern' kann wohl am besten mit dem Begriff 'Tarnen und Täuschen' umschrieben werden", wird in der Strafanzeige festgestellt. Es würden zwei "Parallelwelten" geschaffen, einerseits die "gesetzestreue nach außen und andererseits die wahre, die nach dem Gesetz vorgeschriebene Verantwortung missachtende Praxis nach innen". (APA)