Amsterdam - Bei Ajax Amsterdam geht der Führungsstreit in die nächste Runde: Der Mitgliederrat des niederländischen Fußball-Rekordmeisters hat auf seiner Sondersitzung am Montagabend die Weichen für eine Krisenlösung beim niederländischen Traditionsklub gestellt. Mit einer deutlichen Mehrheit sprach das Gremium dem gesamten Aufsichtsrat, einschließlich Klub-Ikone Johan Cruyff, das Misstrauen aus und forderte ihn geschlossen zum Rücktritt auf.

Ohne Wissen von Cruyff hatten der Aufsichtsratvorsitzende Steven ten Have, Edgar Davids, Marjan Olfers und Paul Römer drei Direktoren, unter ihnen Ex-Bayern-Trainer Louis van Gaal, eingestellt und den Machtkampf im Klub ausgelöst. Nach Cruyffs Ansicht verletzt die Vorgehensweise den rechtlich-verbindlichen Geschäftsplan. Cruyff und zehn Nachwuchstrainer wie Wim Jonk und Dennis Bergkamp haben inzwischen Klage gegen die Entscheidung der vier anderen Aufsichtsratsmitglieder eingereicht.

In seiner Kolumne im Telegraaf philosophierte Cruyff noch vor der Entscheidung des Mitgliederrates über seine Ajax-Zukunft und gab van Gaal noch einen guten Rat: "Meine Generation muss einen Schritt zurücktun und für eine neue und ehrgeizige Gruppe Fußballer, die Ajax wieder an die europäische Spitze bringen will, zur Verfügung stehen. Personen wie Louis und ich, sollten nicht mehr Macht ausüben wollen", schrieb der 64-jährige ehemalige Weltklassespieler.

Vor dem Tagungsort AmsterdamArena hatten sich am Montag ungefähr 600 Ajax-Fanklubmitglieder versammelt, um ihrer Unterstützung für Cruyff Ausdruck zu verleihen. Ein Fan-Sprecher übergab dem Mitgliederrat eine Petition, mit der dieser aufgefordert wurde, für Cruyff zu stimmen und dessen Vision für Ajax zu folgen.

Um sein Reformkonzept durchzusetzen, hatte Cruyff erstmals seit Jahren eine verantwortungsvolle Funktion bei Ajax übernommen. Auf einer Pressekonferenz sagte Mitgliederratsvorsitzende Rob Been junior, dass die fünf betroffenen Aufsichtsräte bei der Neubesetzung des Gremiums nicht mehr berücksichtigt würden. Falls die Fünf der Rücktrittsaufforderung nicht freiwillig nachkommen, werden sie von einer außerordentlichen Aktionärsversammlung abgesetzt.

Vom 24-köpfigen Mitgliederrat nahmen 22 an der Sitzung teil. Johan Cruyff, der im Gegensatz zu den vier anderen Aufsichtsräten als Ehrenmitglied von Ajax, auch an der Sitzung hätte teilnehmen können, war in seiner Wahlheimat Barcelona geblieben, um dort die katalanische Auswahl zu betreuen. Nach Meinung des Mitgliederrates und Cruyff-Freundes Keje Molenaar wird trotz dieser Entscheidung das von der legendären Nummer 14 entwickelte Konzept zur Nachwuchsarbeit weiter umgesetzt und damit eine seiner Forderungen erfüllt.

Been junior informierte den Noch-Aufsichtsratvorsitzenden Steven ten Have und ausgesprochenen Cruyff-Gegner über die Entscheidung. "Er war etwas enttäuscht und will noch eine Nacht darüber schlafen", kommentierte er dessen Reaktion. Been junior schloss nicht aus, dass Cruyff Ajax weiter als Berater zur Verfügung steht.

Der Mitgliederrat berief aus seinen Reihen Been junior, Ex-Minister Roger van Boxtel und Rechtsanwalt Ernst Ligthart zum neuen, kommissarischen Vereinsvorstand. Der alte, ebenfalls kommissarische Vorstand war als Folge der Krise am vergangenen Montag zurückgetreten. Das neue Trio vertritt am 12. Dezember die Interessen des Fußballklubs Ajax bei der jährlichen Aktionärsversammlung. Er besitzt 73 Prozent der Ajax-Aktien. (sid/red)