Mag sein, dass das Mineralwasser von Evian Heilwirkung hat. Ob der G-8-Gipfel die Weltwirtschaft wieder fit macht, ist weit fraglicher. Der Gipfel in der französischen Bäderstadt wäre von seinem Zeitpunkt her geeignet gewesen, frühere Verbündete nach dem Irakkrieg wieder auszusöhnen - in Wahrheit bestätigt er das Gegenteil: die tiefen Differenzen zwischen dem "alten" Europa und den "neuen" USA. Die paar Entspannungsgesten in Evian werden den transatlantischen Grabenbruch nicht beseitigen. Die aktuelle Hauptsorge der Weltwirtschaft - die Dollarschwäche - kam nicht einmal auf die offizielle Themenliste. Und die wichtigsten Streitpunkte der aktuellen Doha-Freihandelsrunde sind blockiert.

Afrika und die Vertreter der Schwellenländer, die an den Genfer See geladen waren, stellen den Gastgebern die berechtigte Frage: Wie könnt ihr von uns Vertrauen in die Weltwirtschaft verlangen, wenn ihr euch gegenseitig misstraut und auf die Füße tretet? - Die Bilder und Reden, die von Evian in die Welt gehen, werden deshalb kaum eine positive Wirkung auf das planetare Publikum haben. Wirkungsvoll ist hingegen die Gegnerschaft der G-8: Es ist dies heute eine unheilige Allianz von Globalisierungsgegnern, die den "Klub der Reichen" aus Prinzip verdammen, und den Falken in Washington, die genauso prinzipientreu jede multilaterale Kooperation untergraben. Gastgeber Chirac versucht zwischen ihnen einen riesigen Spagat, umgarnt er doch die G-8-Kritiker genauso wie den US-Präsidenten.

Die Weltwirtschaft hätte derzeit einen G-8-Erfolg bitter nötig - das heißt: konkrete ökonomische Beschlüsse und Richtlinien, basierend auf einem Bekenntnis zur Globalisierung und zum Willen, deren Auswüchse in den Griff zu kriegen. Bei all den Divergenzen unter den großen acht ist aber keine gescheite Synthese möglich, sondern bloße Schönrederei. In Evian gibt es Mineral-, aber kein Wunderwasser. (DER STANDARD, Print, 03.05.2003)