Das Dogma einer "Wahlfreiheit" für Österreichs Nichtraucher wankt. Wie die Wirtschaftskammer nämlich mitteilt, gibt es keinerlei Statistik über die Anzahl der Raucher- oder Nichtraucherlokale in Österreich. Im Juli 2010 klang das noch ganz anders, zitierte doch eine offizielle Zeitung der Wirtschaftskammer den Vorsitzenden des Fachverbandes Gastronomie, Helmut Hinterleitner, dass nur 12 Prozent der Betriebe Raucherbetriebe würden, 18 Prozent hingegen Nichtraucherbetriebe. Der Raucherlobbyist Manfred Ainedter sprach daraufhin unter Berufung auf diese Zahlen, dass Österreich damit "im Trend" liege, woraufhin die Zeitschrift News titelte: "Rauchverbot - Österreich liegt im Trend" und nahezu wörtlich aus der Pressemitteilung Ainedters abschrieb - Prozentangaben inklusive. Die KronenZeitung, Österreich, der Standard, die Wiener Zeitung und die Presse rechneten diese Daten gleich um, es werde 22.000 Nichtraucherlokale geben. Wie aber kommt man auf solche Zahlen, wenn es keine Statistik gibt?

Diese Daten, so die Wirtschaftskammer, basieren auf einer Umfrage. Auf einer Umfrage! Details zu dieser Umfrage gab die Wirtschaftskammer auch auf Nachfrage nicht bekannt, nur so viel, dass ca. 2600 Lokale befragt worden wären. Wie kommt es, dass keine einzige österreichische Tageszeitung die Daten in Zweifel gezogen hat? Dass kein einziger österreichischer Journalist auf die Idee gekommen ist, bei der Wirtschaftskammer nachzufragen, woher diese Zahlen überhaupt kommen? Es ist ein Armutszeugnis für Österreichs Journalismus.

Je nachdem, wie man die Lokale auswählt, kommt man nämlich auf völlig unterschiedliche Ergebnisse. Die tourismusgeprägten und die "gehobenen" Lokale sind mit höherer Wahrscheinlichkeit Nichtraucherlokale als die vom Durchschnittsbürger aufgesuchten Lokale, doch genau letztere wären interessant. Das wird durch folgendes Beispiel klar: Der Lokalführer, der im Grazer Tourismusbüro aufliegt, ("VIA Gastro- und Szeneguide" ), beschreibt im Jahr 2009 107 Grazer Lokale, davon fast 20 Prozent Nichtraucherlokale. Eine Studie der Universität Graz im selben Jahr, bei der stichprobenartig 136 Lokale überprüft wurden, kommt auf 10 Prozent Nichtraucherlokale. Ein Unterschied von fast 100 Prozent!

Dass sich mit Auslaufen der Übergangsfrist die Zahl der Nichtraucherlokale geändert hat, stimmt laut Wirtschaftskammer nicht - schon 2008 teilte die Wirtschaftskammer dem ORF mit, dass es im Jahr 2009 20 Prozent Nichtraucherlokale geben würde. Die Quelle dieser Behauptung: eine Umfrage.

Doch auch das ergibt nicht das richtige Bild. Selbst wenn man besagten Lokalführer aus dem Grazer Tourismusbüro als Quelle nimmt, in dem ca. 20 Prozent der Lokale Nichtraucherlokale sind, wird ein Problem sichtbar: In der Rubrik "Grazer Szene" bzw. "Nightlife" , in der Pubs und Bars (keine Erotik- und Sexlokale), beschrieben sind, findet sich 2009 und 2010 nämlich kein einziges Nichtraucherlokal.

Dass die Nichtraucherzonen in den Mischlokalen keinen Nichtraucherschutz bieten, belegen die durch den Umwelthygieniker Manfred Neuberger (Universität Wien) kürzlich vorgestellten Messergebnisse - die Feinstaubbelastung ist auch in den Nichtraucherzonen stark erhöht. Als Nichtraucher muss man also entweder mitrauchen oder auf ein abendliches Ausgehen gänzlich verzichten.

Das Dogma der "Wahlfreiheit" ist eine Legende. Das wird auf den ersten Blick klar, wenn man den von der "Graz Tourismus GmbH" geförderten "VIA Gastro- und Szeneguide" liest. Besser gesagt: Es wurde. Denn aus dem "VIA Gastro- und Szeneguide" für das Jahr 2011 sind die Angaben, ob es sich um Raucher- oder Nichtraucherlokale handelt, auf mysteriöse Weise verschwunden. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2011)