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Protest gegen die Rolle der Weltbank im Klimafonds.

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In Südafrika starten die Staaten einen neuen Versuch, sich auf einen Weltklimavertrag zu einigen. Jenseits von Grenzwerten und Fristen geht es auch darum, wer künftig zu den Draufzahlern und wer zu den Profiteuren zählt.

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Durban/Wien - Ein Schuss Pessimismus gehört dazu. Wenn sich die Staatenwelt zum Jahresausklang zu ihrem jährlichen Klimagipfel trifft, um einen neuen Versuch für ein weltweites Klimaabkommen zu starten, beeilen sich Politiker, Diplomaten und Beobachter zu betonen, dass man am besten gar nichts erwarten dürfe. Zu frisch sind die Erinnerungen an den Gipfel in Kopenhagen 2009, der viel versprach und nach dramatischen Verhandlungen kläglich scheiterte. Also lieber weniger Ambitionen, dann sind auch kleine Schritte ein Erfolg.

Auch der Gipfel im südafrikanischen Durban, der am Montag beginnt, zählt zu jenen Treffen, die als Zwischenstation für ein zukünftiges Abkommen gelten. Zu viele Streitpunkte gibt es noch, zu viel Zündstoff bergen die Verhandlungen, als dass die Staatengemeinschaft gleich alles auf einmal beschließen könnte. Das sehen selbst die Nichtregierungsorganisationen so, die jedes Jahr lauter Alarm schlagen, weil der Klimawandel eben schneller voranschreitet als die Politik. "Einen Durchbruch wird es sicher nicht geben", sagt Berhard Obermayr von Greenpeace Österreich.

Ob Durban trotzdem Fortschritt bringt oder scheitert, hängt zunächst an einer Frage: Was wird aus dem Kioto-Protokoll? Darin haben sich die Industriestaaten 1997 verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken - vorerst bis 2012. Diese erste Phase, genannt Verpflichtungsperiode, läuft also im nächsten Jahr aus, und weil das Protokoll bis heute das einzige rechtlich verbindliche internationale Abkommen für den Klimaschutz ist, fürchten Schwellen- und Entwicklungsländer, dass die Welt anschließend wieder ohne irgendetwas Verbindliches dastehen könnte und der Klimawandel kaum aufgehalten werden kann.

Eine zweite Verpflichtungsperiode zu erreichen, ist daher ein erklärtes Ziel des Gastgeberlandes. Der Streit um Kioto zieht sich seit Jahren durch die Verhandlungen. Ihr müsst auch etwas leisten, verlangen die Industrieländer von den armen und aufstrebenden Staaten. In Cancún, Mexiko, hatte man sich 2012 wenigstens grundsätzlich darauf verständigt, am Kioto-Prozess festhalten zu wollen. "Es ist unmöglich, dass Südafrika hier Kompromisse macht", erklärt Xolisa Mahongo, Südafrikas Botschafter in Österreich und Mitverhandler in Durban.

Doch beim letzten Vorbereitungstreffen in Panama im Oktober haben Japan, Russland, und Kanada abgewunken. Einer zweiten Periode wollen sie nicht zustimmen. Schließlich wären die Schwellenländer China und Indien - neben den USA die größten Verschmutzer - daran nicht gebunden. Washington hat Kioto nie ratifiziert. Eine neue Periode würde bestenfalls für 16 Prozent der Emissionen gelten - zu wenig für wirksamen Klimaschutz, sagen sie.

Sollten auch Australien und Neuseeland neue Verpflichtungen unter Kioto ablehnen, was Diplomaten für möglich halten, dann verblieben mehr oder weniger noch die EU, die Schweiz und Norwegen in dem Prozess. In Brüssel ein Grund für Frustration. "Das reicht einfach nicht", sagt EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard.

Ein Fahrplan bis 2015

Die EU ist zwar dazu bereit, einer Verlängerung der Kioto-Verpflichtungen zuzustimmen. Aber andere Wirtschaftsnationen wie die USA und China müssten ihren Beitrag leisten, wiederholt die Kommissarin bei jeder Gelegenheit. Die EU fordert von den größten Klimasündern Garantien, dass sie sich wenigstens in Zukunft zur Senkung der Emissionen verpflichten werden. "Nachziehen", wie Hedegaard es formuliert.

Für den Weg zu einem globalen Abkommen schwebt der Union ein Zeitplan bis zum Jahr 2015 vor. Dann soll ein neuer Weltklimavertrag stehen. Einen solchen Beschluss hält Greenpeace-Experte Obermayr nicht für unmöglich. "Das Spannende wird sein, ob sich die Welt zusammenrauft und sagt, wir wollen weitermachen - so dass nur die USA übrigbleiben." Das hänge von der EU auf der einen sowie China und Indien für die Gruppe der G-77 auf der anderen Seite ab. "Es gibt Anzeichen, dass so etwas ernsthafter diskutiert wird als vor einem Jahr, weil die Frustration über die USA sehr groß ist."

Bisher sind sich alle einig gewesen, dass ein neuer Klimavertrag ohne den Großemittenten USA nicht zu machen ist. Doch bis November 2012 herrscht Präsidentschaftswahlkampf. Mit anderen Worten: Von den Amerikanern ist in Südafrika nichts zu erwarten. "Das sagen sie auch so in den Verhandlungen", berichtet ein Diplomat. Im Vorfeld zu Durban hat US-Präsident Barack Obama China und Indien wieder einmal ausgerichtet, dass auch sie "ihre Verantwortung ernst nehmen" müssten. Auch das spricht für einen Zeitplan: Die USA könnten nach den Wahlen in den Prozess einsteigen.

Verlierer des diplomatischen Pingpong-Spiels sind die Entwicklungsländer. Sie trifft der Klimawandel am meisten. Erst vor knapp zwei Wochen hat der Weltklimarat, kurz IPCC, davor gewarnt, dass es in Zukunft immer öfter Dürren und Überschwemmungen geben werde, wenn die globale Durchschnittstemperatur bis 2100 um vier bis fünf Grad steige.

In Cancún hatten die Länder das Zwei-Grad-Ziel anerkannt, das als Obergrenze gilt, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Es besagt, dass sich die Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um nicht mehr als zwei Grad erwärmen darf. Doch die bisherigen Klimaschutz-Zusagen der Länder reichen längst nicht aus, um das zu erreichen. Auch für Durban rechnet kaum einer damit, dass neue Obergrenzen für die Treibhausgas-Emissionen verhandelt werden.

Um die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen, haben die Staaten in Cancún außerdem einen Fonds beschlossen, den Green Climate Fonds, der nun in die Tat umgesetzt werden soll. Hier könnte es Fortschritte geben, heißt es aus diplomatischen Kreisen und von Seiten der NGOs. Auch wenn die USA laut einem Bericht der Financial Times von Freitag den Fonds blockieren. Die Länder müssen sich darauf einigen, wie der Fonds strukturiert sein soll, wer ihn langfristig verwaltet - etwa ob Weltbank oder Uno - und vor allem: Wer bezahlt wie viel?

"Verwässerungsgefahr"

100 Milliarden Dollar wollen die Industrieländer ab 2020 jährlich für Klimaschutz-Maßnahmen bereitstellen. Nicht alles werde aber aus dem Fonds kommen, betonen Staatenvertreter. Die NGOs drängen darauf, für die Maßnahmen frisches Geld aufzubringen und fürchten, Beträge könnten einfach umgewidmet werden, zum Beispiel aus der Entwicklungshilfe. Doch gerade in Zeiten leerer Staatskassen und der Furcht vor wirtschaftlichem Abschwung wollen die Industrieländer ihre Budgets nicht weiter belasten. Johannes Wahlmüller von der NGO Global 2000 sieht eine "große Verwässerungsgefahr" und plädiert für neue Wege, wie etwa eine Finanztransaktionssteuer. Im Gespräch sind auch Abgaben auf Flug- und Schiffsverkehr.

Weil bisher kein einziger Cent in den Klimafonds geflossen ist, hat sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon jüngst in einem verzweifelten Appell an die reichen Länder gewandt und sie aufgefordert, wie versprochen Geld bereitzustellen. "Eine leere Hülle reicht nicht, wir müssen die Hülle füllen." In Durban will der UN-Chef den Staaten persönlich ins Gewissen reden.

Wer zahlt und wer empfängt, wer profitiert und wer muss sich einschränken? Längst teilt sich die Welt nicht mehr in reiche Industriestaaten und arme Entwicklungsländer. Viele Schwellenländer haben aufgeholt, nicht nur die großen, sondern auch kleine wie beispielsweise Singapur.

Ein neues Klima-Abkommen, sagen Diplomaten, entscheidet nicht nur über den zukünftigen Kampf gegen den Klimawandel. Es werden auch die Gruppen neu definiert, in die sich die Welt teilt. "Wir verhandeln hier nicht nur das Klima, sondern die neue Weltwirtschaftsordnung", konstatiert ein mit den Verhandlungen befasster Diplomat. Auch das mache die Gespräche so schwierig. (Julia Raabe/DER STANDARD, Printausgabe, 26./27. November 2011)