Wein&Co-Chef Heinz Kammerer: In Österreich gibt es für alles Regeln und Gesetze, die halt nie angewendet werden.

Foto: Bruckner

Kammerer: Heute kann man den Leuten nicht irgendeinen Fusel hinstellen und die sagen: Na gut, Hauptsache, ich bin fett.

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Heinz Kammerer (63) hat mit Teppichen und Fliesen ("Ikera") gehandelt, bevor er 1993 die Weinhandelskette Wein & Co gründete. Der Vater zweier Kinder hat die Getränkesteuer erfolgreich bekämpft, gilt als Vorkämpfer längerer Öffnungszeiten im Handel. Das heimische Rauchergesetz hält er für so "dumm und undurchdacht, wie nichts auf der Welt."  Angst vor der Auslandkonkurrenz hat er beim Wein nicht: "In Ermangelung anderer Dinge, auf die der Österreicher stolz sein könnte, ist er auf den Wein stolz." Beim Genuss sparen die Österreicher offenbar auch in der Krise nicht: Mit 270 Mitarbeitern erzielte Wein&Co zuletzt in 19 Filialen einen Umsatz von 47 Millionen Euro - elf Prozent mehr als im Jahr davor.

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derStandard.at: Draußen an der Bar stehen Aschenbecher. Sind Ihnen jetzt die Nichtraucher gram, weil man bei Ihnen wieder rauchen darf?

Heinz Kammerer: Ich habe gestern auf der Mariahilferstraße (Anm: Hier befindet sich der Wein&Co-Flagshipstore) wieder gesehen, wie zwei Kundinnen um drei Uhr Nachmittag gekommen sind. Die wollten einen Kaffee trinken. Auf die Auskunft, dass man nicht rauchen darf, haben sie gesagt: "Auf Wiederschaun". Wir sind ja eine Bar, kein Restaurant. Wir haben gelernt, dass man beim Essen nicht raucht und hier inzwischen die Glastür eingezogen. Als wir vollkommen Nichtraucher waren, sind die Gäste ausgeblieben. Auch die gemischten Gruppen. Da hatte ich dann stillende Mütter, bei einem Obi gespritzt.

derStandard.at: Wieso wird das Thema Rauchen in Österreich so emotional abgehandelt?

Kammerer: Weil Österreich die feigsten aller Politiker hat. Die sind praktisch nur auf Wahlkampf und haben Riesen-Angst vor einem Jobverlust, weil sie ja sonst nichts können. Deswegen wollen sie niemanden vergrämen und machen ein Gesetz, wo sie sich selbst nicht mehr auskennen. Dann machen sie kleine Lokale zu Raucherlokalen, wo keine Lüftung sein muss und argumentieren mit Gesundheitsgründen. Dort ist es natürlich am allerschlechtesten. Will man die Leute umbringen? Dieses Gesetz ist so dumm und undurchdacht, wie nichts auf dieser Welt. Aber im Endeffekt ist es so: Alle, die rauchen wollen, können irgendwo noch rauchen. Den Gästen tut das nicht sehr weh, weil die können sich aussuchen, wo sie hingehen.

derStandard.at: Was wäre Ihrer Ansicht nach eine gescheite Lösung?

Kammerer: In vernünftigen Ländern gibt es radikal ein "Ja" oder "Nein". Das Allergescheiteste wäre, ein Lokal entscheidet, ob es Raucher oder Nichtraucher ist. Aber in Österreich darf ja nie irgendjemand etwas entscheiden. Es gibt für alles Regeln und Gesetze, die halt nie angewendet werden. So wie beim Rauchergesetz: Es gibt genügend Lokale, wo keiner nachmisst, wie groß ist das Lokal. Da wird einfach geraucht.

derStandard.at: Sie haben offenbar keine große Freude mit der heimischen Politik?

Kammerer: Vor kurzem war ein österreichischer Politiker zu Gast. Der hat allen Ernstes gemeint, dass die Atombomben in Hiroshima und Nagasaki sehr wohl wichtig waren für den Fortschritt, weil dadurch die Atomenergie so nutzbar geworden ist. So denken Politiker. Die produzieren Probleme, aber lösen sie nicht. Dann heißt es, das Volk muss Opfer bringen. Auch wenn man die Diskussion rund um die so genannte Reichensteuer verfolgt. Das ist so eine Ungeheuerlichkeit. Ich bin ja ein bisschen zu alt dafür, aber ich würde zur Revolution aufrufen.

derStandard.at: Womit Sie uns direkt zur Krise führen. Sie haben mehr Umsatz erwirtschaftet und viel investiert. Dem Weingeschäft kann offenbar die darbende Wirtschaft nicht viel anhaben?

Kammerer: Das Weingeschäft ist wunderbar. Als ich angefangen habe, habe ich mir ja gedacht: Na, wer braucht einen Wein um 30 Euro, wenn man spart oder irgendwie Angst hat. Die Leute geben aber ihr Geld allerhöchstens ein bisschen bewusster aus. Im Endeffekt gönnen sie sich weiterhin die kleinen Freuden. Wir haben es mit unserem Konzept, im Nachhinein gesehen, doppelt richtig gemacht. Sie können in der Bar die besten Weine zum Shop-Preis trinken. Billiger und besser als sonst irgendwo in der Gastronomie. Wer lieber zu Hause bleibt, kauft sich eben im Shop den Wein. Aber auf Wein verzichtet niemand.

derStandard.at: Wo verkaufen sie mehr - in der Gastronomie oder in den Shops?

Kammerer: Wir haben nur sechs Bars und 19 Geschäfte. Der Handel ist natürlich für uns das Wichtigste. Die Margen sind in der Gastronomie ein bisschen höher, aber die Personalkosten auch, im Handel sind dafür die Kosten für Werbung und Mieten höher. Am Ende kommt ungefähr das gleiche heraus.

derStandard.at: Sie haben kräftig expandiert. Am Land, in Einkaufszentren, in den Merkur hinein. Wo läuft's am besten?

Kammerer: Wir haben 18 Stand-alone-Geschäfte und dann gibt es einen Shop-im-Shop im Merkur. Dort fangen wir jetzt an, die Expansion weiter voran zu treiben, weil schon klar ist, dass das sehr erfolgreich ist. Wir haben eine Aufgaben- und Spannenverteilung und das ist für alle Seiten eine totale Win-Win-Win-Situation. Der Merkur erhöht seine Weinkompetenz drastisch, wir erreichen etwa 5000 Leute, die dort pro Tag vorhanden sind und die Kunden können uns besser erreichen.

derStandard.at: Gibt es weitere Ambitionen - zum Beispiel im Ausland?

Kammerer: Auslandspläne hatten wir immer wieder welche. Aber ich bin sehr froh, dass ich das am Ende nicht gemacht habe. Wir hatten in Ungarn schon Mitarbeiter, Dienstautos, Firmen, Websites, Standorte, also alles fast abgeschlossen. Es muss eine Eingebung gewesen sein: Ich hab‘ das nicht gemacht. Jetzt würden wir wahrscheinlich schön blöd schauen, weil es dort wirtschaftlich nicht gerade rosig ist. Man muss sich überlegen, so ein Standort (Anm.: Wir sitzen in jenem in der Jasomirgottstraße, in der Wiener Innenstadt) muss zwei Millionen Euro Umsatz machen. Das ist viel Geld. Deutschland wäre sicher das Richtigste.

derStandard.at: Sie werden das machen?

Kammerer:  Ich nicht. Das am stärksten wachsende Segment ist überhaupt das Online-Geschäft. Ein Drittel davon macht Deutschland aus. Das würde also heißen, Wein&Co macht schon jetzt drei Prozent seines Umsatzes mit deutschen Kunden. Im Internet kauft man eher bekannte Marken und Sonderangebote. Wir machen da insgesamt schon über zehn Prozent Umsatz und verschicken aus unserem Zentrallager im 22. Bezirk 300 bis 400 Packerl pro Tag.

derStandard.at: Im Sommer ist Österreich der billigere Weißwein ausgegangen? Wie sehr sind wir auf ausländische Weine angewiesen?

Kammerer: Was den Import betrifft, kann ich nur von uns reden: Bei uns ist der Wein zu 70 Prozent aus Österreich. Die billigen Weine werden immer von den Sekteinkäufern abgeschöpft. Die Weinbauern haben langfristige Verträge, da muss geliefert werden. Den Rest können sie so verkaufen, da ist heuer eben nichts übrig geblieben. Es hat wahrscheinlich bei der Blüte gefroren und im Herbst geregnet, das war mengenmäßig und qualitativ eine epochal schlechte Weißweinernte. Bei so einer Ausbeute muss ein Winzer schon sehr präzise arbeiten. Im Gegensatz zu heuer, wo sozusagen jeder Trottel einen guten Wein machen kann. Es hat in der Spitzenklasse wenige aber sehr, sehr gute Weine gegeben. Die, die das nicht können oder wollen, haben teilweise ganz schlimme Weine gemacht.

derStandard.at: Das heißt wohl, dass auch die Preise steigen werden?

Kammerer: Vorübergehend, dieser Jahrgang ist teilweise ein bisschen teurer geworden und zwar mit dem Mengenargument. Der 2011er-Jahrgang ist hervorragend, sowohl was die Qualität als auch was die Menge betrifft. Da laufen jetzt die Verhandlungen und da muss mir einmal einer erklären, warum er jetzt den selben Preis haben will, wenn er die doppelte Menge und die doppelte Qualität hat.

derStandard.at: Die Preise für gute Weine sind teilweise ganz schön hoch. Zu hoch?

Kammerer: Ich bin schon der Meinung. Aber offenbar geht es noch. Die Kunden sind bereit, das zu zahlen. Auch für einen Smaragd (Marke, die für die höchste Qualitätsstufe von Weinen der Vinea Wachau-Winzer steht) um 60 Euro. Ich kann mich noch erinnern, wie wir im 1993er Jahr angefangen haben, war das noch in Schilling. Das sind schon enorme Steigerungen. Die Entwicklung gibt aber denen recht, die sagen, das ist durchsetzbar.

derStandard.at: Das hat ja fast Finanzmarkt-Dimensionen?

Kammerer: Schauen Sie: Es gibt das Phänomen, das heißt der Verlust der Mitte. Die teuren Sachen werden exponentiell teurer und die billigen werden immer billiger.

derStandard.at: Man könnte fast behaupten, da spiegelt sich die Entwicklung in der Gesellschaft wider. Die Wohlhabenden wurden richtig wohlhabend und die nicht so Wohlhabenden...

Kammerer: ...werden immer ärmer. Richtig. Jedenfalls bei uns im Weingeschäft ist es so: Die sehr nachgefragten Supermarken gehen nach wie vor. Aber im unteren Segment muss man schon das Angebot mit mehr preiswerten Weinen verbreitern.

derStandard.at: Was verstehen Sie unter preiswert?

Kammerer: Unter zehn Euro. Wein gibt es bei uns ab vier Euro. Aber auch der Wein um vier Euro muss unseren Qualitätskriterien entsprechen. Da muss der Kunde halt kosten, weil der Wein muss in erster Linie schmecken. Aber unsere Verkäufer sind so geschult, dass sie die Wünsche oft auch durch gezielte Fragen herausfinden. Einen Doppler um zwei Euro haben wir nicht. Da ist oft wahrscheinlich nicht einmal mehr eine Traube drinnen.

derStandard.at: Zurück zu Made in Austria: Ist das beim Wein so wie bei den Schweinderl oder bei anderen Lebensmitteln: Wo Österreich draufsteht, muss noch lange nicht Österreich drin sein?

Kammerer: Beim Wein ist das sehr genau. Da geht es ja um Weingärten, die kann und muss man ja benennen.

derStandard.at: Der Tiroler Speck kommt auch aus dem Ausland. Könnte ja sein, dass der Winzer 70 Prozent seiner Trauben verwendet und den Rest aus dem Ausland heranschafft.

Kammerer: Sie haben aber böse Gedanken. Man darf in Österreich nach dem Weingesetz nicht in- und ausländische Trauben mischen. Wir haben ein relativ strenges Weingesetz, das auch ganz gut überwacht wird. Herkunftsbezeichnung und Gütesiegel sind gang und gäbe und die Kunden wissen das auch ganz genau. Die Leute kommen und sagen: "Ich möchte einen Federspiel aus der Wachau." Das ist den Kunden nicht wurscht.

derStandard.at: Die Österreicher fürchten sich in allen möglichen Belangen recht heftig vor der Billigkonkurrenz aus dem Osten. Ist das beim Wein auch so?

Kammer: Gar nicht. Der Wein ist ein Prestige- und Vertrauensprodukt. In Ermangelung anderer Dinge, auf die der Österreicher stolz sein könnte, ist er auf den Wein stolz. Der ist auch gut, großteils, aber Ausländer sind auch sehr gut.

derStandard.at: Der Handel gilt für Mitarbeiter nicht gerade als schicke Branche, wie ist das bei Ihnen?

Kammerer: Hier arbeitet man gerne. Das ist eine schicke Firma. Man trifft hier schon auch einmal den Bundespräsidenten. Zehn Prozent aller Mitarbeiter sind schon mehr als zehn Jahre bei uns.

derStandard.at: Sie machen das jetzt ein paar Jährchen. Worum geht es in dem Geschäft?

Kammerer: In einem bestimmten Bereich, der den Leuten an sich Freude macht, sind wir sehr kompetent und wir sind - mir fällt immer nur das Wort sexy ein. Bei uns ist Wein ein Genussmittel und keine Droge. Da geht es um ein Lebensgefühl. Heute kann man den Leuten nicht irgendeinen Fusel hinstellen und die sagen: Na gut, Hauptsache, ich bin fett.

derStandard.at: Wie besäuft man sich denn am besten. Mit Rot oder Weiß?

Kammerer: Mit Red Bull Wodka können Sie sich besaufen. Aber nicht mit Wein. (Regina Bruckner, derStandard.at, 29.11.2011)