derstandard.at: Am Wochenende beginnt die neue Weltcup-Saison mit einem Teambewerb und einem Einzelspringen in Kuusamo. Haben sie schon die ersten Sprünge auf Schnee absolvieren können?
Andreas Kofler: Nein, bis jetzt hat es noch keine Möglichkeit gegeben. Momentan ist es hier in Finnland zu windig und wir müssen noch ein wenig Geduld haben. Aber ich bin recht zuversichtlich, dass wir die ersten Sprünge bald absolvieren können.
derstandard.at: Letztes Jahr haben sie den Auftakt in Finnland gewonnen. Zählen Sie sich auch heuer zum Favoritenkreis?
Kofler: Ja, letztes Jahr war es ein super Einstieg. Ich bin sehr gut vorbereitet gewesen und das ist heuer ähnlich der Fall. Ich hab zwar das Manko gehabt, dass ich die vergangenen zwei Monate keinen Sprung absolvieren konnte, aber das muss man relativ sehen. In letzter Zeit gab es wetterbedingt sowieso keine Möglichkeit zu springen.
derstandard.at: Warum hätten Sie nicht springen können?
Kofler: Ich habe ein bisschen Probleme mit meinem Rücken gehabt und habe mein Augenmerk auf die Genesung legen müssen. Mit Physiotherapie und medizinischem Training habe ich das ganz gut in den Griff bekommen und bin jetzt körperlich wieder top fit. Dementsprechend befreit und erholt gehe ich dem Wettkampf entgegen und sehe mich schon unter den Favoriten.
derstandard.at: Welche Besonderheiten hat die Schanze in Kuusamo?
Kofler: Hier kommen ein paar Faktoren zusammen. Einerseits sind es die ersten Schneesprünge auf so einer großen Schanze, das betrifft das ganze Teilnehmerfeld, anderseits ist Kuusamo bekannt für die windigen Verhältnisse. Das macht es im mentalen Bereich sehr schwierig, aber ich freue mich eigentlich darauf. Es ist eine große Challenge für mich und ich bin zuversichtlich, dass ich es so hinbringe wie ich es mir vorstelle.
derstandard.at: Wen schätzen Sie als die größten Konkurrenten ein?
Kofler: Da tauchen sicher die Namen auf, die in den letzten Jahren immer vorn dabei waren. Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern aus den eigenen Reihen. Kamil Stoch von den Polen, oder von den Finnen gibt es natürlich auch genug. Das wird sich aber erst richtig auf der Schanze herauskristallisieren, im Vorfeld kann man das einfach schwer sagen. Die Namen, die sonst immer vorne waren, werden auch hier sicher Gas geben.
derstandard.at: Sie sind letztes Jahr mit über 1000 Punkten im Gesamt-Weltcup und drei Siegen ihre bisher beste Saison gesprungen und waren bei den ÖSV-Adlern doch nur Nebendarsteller. Wie geht man mit den Überfliegern wie Morgenstern und Schlierenzauer als Teamkollegen um?
Kofler: Das ganze lässt sich von zwei Seiten betrachten. Bei einer anderen Nation wäre ich sicherlich die Nummer eins. Im österreichischen Team ist es durch die Stärke von Morgi und Gregor nicht so einfach, wobei ich nicht der Typ bin, der sich in den Vordergrund drängen muss. Für mich geht es darum, dass ich meine Leistung abrufe. Ich bin eigentlich sehr zufrieden mit meiner Position, kann eher aus dem Hintergrund agieren und das ist für mich perfekt.
derstandard.at: Was fehlt Ihnen noch, um ganz an die Spitze vorzudringen?
Kofler: Von meiner Seite her gibt es auf jeden Fall noch genug zu tun, ich habe sicher noch Potenzial. Vor allem unter der Saison kann ich an der Grundeinstellung arbeiten und am Materialsektor versuche ich anständig nachzuziehen. Ich bin da ein wenig ein Eigenbrötler, muss viel selbstständig agieren und weiterentwickeln. Sagen wir, die individuelle Abstimmung muss noch verbessert werden.
derstandard.at: Was heißt das genau?
Kofler: Ich habe sicher noch Reserven in der Verbindung zum Ski, vor allem betrifft das die Phase über dem Vorbau. Deswegen bin ich bisher zum Beispiel beim Skifliegen bis jetzt nicht Mitfavorit (lacht) gewesen, weil ich einfach zu viel Geschwindigkeit über dem Vorbau verliere. Das ist einerseits eine Geschichte der Materialeinstellung, anderseits eine technische Komponente vom Absprung her. Ich bin eher der Abspringertyp und nicht der Geschwindigkeitstyp. Das heißt, je größer die Schanze wird desto schwerer tue ich mir mit meiner Technik und die versuche ich dementsprechend anzupassen und auch weiterzuentwickeln. Da habe ich sicher noch Reserven.
derstandard.at: Die FIS hat mit dieser Saison den Body-Maß-Index (BMI) erhöht. Eine gute Entscheidung?
Kofler: Ja und ich glaube, dass es noch einen Spielraum nach oben gibt. Es gibt noch immer Athleten, die das Gewichtsminimum suchen und somit unter dem BMI liegen und freiwillig auf Skilänge verzichten um sich so einen Vorteil zu verschaffen. Ich wäre dafür, dass die FIS das noch strenger bestrafen sollte, sprich die Skilänge bei zu niedrigem Gewicht noch stärker verkürzen. Ich glaube da gibt es noch Potenzial, finde es aber sehr positiv, dass in den letzten Jahren sukzessiv daran gearbeitet wurde.
derstandard.at: Wie haben sie selbst darauf reagiert? Kürzere Ski oder mehr Gewicht?
Kofler: Ich bin genau gleich geblieben. Ich habe letztes Jahr freiwillig auf Skifläche verzichtet, war trotzdem zu schwer und hab da sicher etwas liegen gelassen. Allerdings hat das bei mir andere Gründe gehabt, wieso ich einen kürzeren Ski gesprungen bin. Nämlich genau die, die ich zuvor erwähnt habe. Ich wollte die Geschwindigkeit über dem Vorbau erhöhen.
derstandard.at: Und wie schaut die Tendenz bei den anderen Spitzenspringern aus?
Kofler: Eigentlich verzichten sie nicht auf Skilänge. Die Top-Springer im Gesamt-Weltcup waren nicht unbedingt am Gewichtslimit. Mit wenig Gewicht ist es sicher möglich einige positive Ausreißer zu produzieren, aber auf Dauer ist es nicht die optimale Lösung.
derstandard.at: Der Spaß am Springen scheint bei vielen Athleten oberste Priorität zu besitzen. Gelingt der Absprung nur, wenn man glücklich ist?
Kofler: Ja, das kann man schon sagen. Das ist vergleichbar mit Golf. Wer mit einem vollen Kopf beim Abschlag steht und auf die Kugel draufhauen will, der macht es wahrscheinlich zu bewusst. Der volle Kopf macht schwerfällig. Wenn aber Lockerheit und Spaß an der Sache dabei sind, dann ist eine gewisse Freiheit da und auf genau die kommt es beim Skispringen an. (Alex Aigner, derStandard.at 25. November 2011)