Der Kakamega-Regenwald in Kenia: Aus dem einstmals zusammenhängenden Waldgebiet sind vom Menschen überprägte Waldinseln geworden, zwischen denen Agrarland liegt.

Foto: N. Farwig, BIOTA-E02

Der Wert eines Regenwaldes bemisst sich neben seiner biologischen Vielfalt auch daran, wie funktionsfähig er ist. Eine großangelegte Studie in Kenia konnte nun zeigen, dass selbst Fragmente von Regenwäldern, die von der Bevölkerung genutzt werden, ihre ökologische Funktion weiterhin erfüllen können.

Die Ergebnisse sind überraschend: "Was wir nicht erwartet haben ist, dass in fragmentierten Wäldern, in denen zudem einzelne Bäume abgeholzt werden, die Intensität von Ökosystemfunktionen wie Streuabbau, Bestäubung oder Samenausbreitung stabil bleibt und in einigen Fällen sogar gestiegen ist. Das bedeutet, dass die Funktionalität dieser Wälder im Gesamtbild trotz moderater menschlicher Störung erhalten geblieben ist," so Matthias Schleuning vomBiodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Leitautor der Studie.

Die Resultate könnten ein Umdenken im Naturschutz tropischer Wälder anregen. "Der klassische Ansatz ist, große intakte Waldgebiete, wie beispielsweise im Amazonas- oder Kongobecken, zu bewahren. Unsere Studie zeigt, dass es auch sinnvoll sein kann, die vielen verinselten und vom Menschen überprägten Regenwälder zu schützen," erläutert Schleuning. Ort der Untersuchung war der Kakamega-Regenwald im Westen Kenias. Er beherbergt eine hohe biologische Vielfalt, unter anderem gibt es hier mehr als 400 Vogel- und mehr als 320 Ameisenarten.

Vom Waldgebiet zu Waldinseln

Doch der Lebensraum ist bedroht, denn die Fläche des Waldgebiets ist im letzten Jahrhundert um mehr als die Hälfte der früheren Ausdehnung geschrumpft. Aus dem einst geschlossenen Waldgebiet sind größere Waldinseln geworden, umgeben von einer Agrarlandschaft, in der vor allem Zuckerrohr und Mais angebaut wird. Der verbliebene Wald wird auch heutzutage von der Bevölkerung genutzt und trotz Schutzmaßnahmen werden immer wieder einzelne Bäume gefällt.

Welche Folgen diese menschlichen Eingriffe für die Ökosystemfunktionen und die biologische Vielfalt im Kakamega-Regenwald haben, untersuchten Schleuning und Kollegen im Rahmen des deutsch-afrikanischen Forschungsprogramms BIOTA. Die Wissenschafter konzentrierten sich auf sechs Ökosystemfunktionen. Die "Funktionstüchtigkeit" des Waldes kann dabei an Kriterien wie Streuabbau, Samenfraß, Bestäubung, Samenausbreitung sowie Insektenfraß durch Treiberameisen und Ameisenvögel gemessen werden.

Biodiversität und Ökosystemfunktionen

Im Gegensatz zu bisherigen Studien, die primär die Veränderung der biologischen Vielfalt in Regenwäldern analysierten, wurden in der aktuellen Studie, die im Fachblatt "PLoS One" erschienen ist, Biodiversität und Ökosystemfunktionen gemeinsam betrachtet sowie erstmals mehrere Funktionen simultan untersucht. Die Wissenschafter erfassten dazu auf elf Versuchsflächen die Vielfalt von verschiedenen Tiergruppen und studierten deren Ökosystemfunktionen in Experimenten. So wurde beispielsweise Laubstreu ausgelegt und gemessen, wie schnell das Material abgebaut wird. Um die Intensität der Raubzüge der Treiberameisen zu erfassen, wurden hunderte Fallen im Boden vergraben und ausgewertet.

Es zeigte sich, dass die Ökosystemfunktionen - obgleich insgesamt stabil - durch Fragmentierung und die selektive Abholzung einzelner Bäume unterschiedlich stark beeinflusst wurden. Wenn aus großen Waldgebieten Inseln werden, sind die Effekte auf die Ökosystemfunktionen insbesondere dann zu spüren, wenn sich die Zusammensetzung der Tiergemeinschaften substantiell verändert. Selektive Abholzung wirkt sich vor allem auf Ökosystemfunktionen aus, an denen mobile Tierarten beteiligt sind. So beobachteten die Wissenschafter positive Effekte bei Bestäubung durch Insekten, Samenausbreitung durch Vögel und auch bei den Raubzügen der Treiberameisen - wahrscheinlich aufgrund veränderter Bewegungsmuster dieser Tierarten.

Selektive Abholzung mit geringem Effekt

Schleuning dazu: "Die Mechanismen der menschlichen Eingriffe sind unterschiedlich. Fragmentierung hat eher einen indirekten Einfluss auf Ökosystemfunktionen. Die Fragmentierung der Wälder verändert die biologische Vielfalt, was ein Risiko für den Erhalt ihrer ökologischen Funktionen birgt. Im Gegensatz dazu wirkt sich die selektive Abholzung einzelner Bäume direkt auf Ökosystemfunktionen aus und hat in unserem Untersuchungsgebiet kaum einen Effekt auf die Diversität der von uns untersuchten Tiergruppen. Der nächste Schritt wären nun Projekte, die die langfristige Funktionsfähigkeit der Waldinseln untersuchen." (red)