Wien - Die Ankündigung mehrerer Banken, sich aus Osteuropa zurückzuziehen, ruft den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Osteuropabank EBRD auf den Plan. Gedacht wird an eine Neuauflage der Wiener Initiative, mit der schon 2008 ein Totalcrash in der Region abgewendet wurde. Brisant: Ausgerechnet ein Vorstoß der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und der Finanzmarktaufsicht FMA - der "zum denkbar schlechtestmöglichen Zeitpunkt gekommen ist", wie es heißt - könnte den Prozess beschleunigen.

Neben der Raiffeisenbank International (siehe unten) haben auch Commerzbank und UniCredit einen Rückzug aus Teilen Osteuropas angedeutet. Die EBRD fürchtet, dass weitere Kreditinstitute folgen werden. Denn die EU-Banken müssen ihre Kapitalpolster stärken: Die Bankenaufsichtbehörde EBA verlangt von den Instituten, dass sie ihre Kernkapitalquote bis Juni 2012 auf neun Prozent anheben. Wegen der Marktspannungen dürfte die Investorensuche schwerfallen. Staatshilfen lehnen die meisten Banken ab.

Damit bleibt nur noch der Verkauf von Tochtergesellschaften und die Reduktion der Kreditvergabe. "Dieser Prozess hat bereits begonnen, auch wenn die Belege bisher anekdotischer Natur sind", sagt EBRD-Forschungsdirektor Jeromin Zettelmeyer. Laut einer Umfrage der polnischen Notenbank im November haben die Geldhäuser ihre Ausleihkriterien bereits verschärft. In Ungarn und dem Baltikum ist die Kreditvergabe schon länger rückläufig.

Kreditkleme und Rezession erwartet

Da der Markt in Osteuropa von Banken aus der Eurozone dominiert, erwartet die EBRD eine Kreditklemme und eine Rezession, sollte sich dieser Trend verschärfen. Nach Informationen des Standard haben EBRD und IWF ihre Pläne zu einer Neuauflage der Wiener Initiative intensiviert. Ziel dieses Abkommens, bei dem auch Aufseher und Geschäftsbanken eingebunden wurden, war es, eine Austrocknung der Finanzströme in den Osten zu verhindern. Die Banken sagten zu, sich aus der Region nicht zurückzuziehen. Die EBRD stützte sie dafür mit Kapital, der Währungsfonds half Staaten wie Ungarn und Ukraine.

Da die neue Krise ihren Ursprung bei den Eurobanken hat, wird die Aktion anders ausgestaltet sein müssen, sagt Zettelmeyer. "Wir werden den Rückzug von Geldhäusern nicht verhindern können - aber zumindest könnten wir dafür sorgen, dass der Prozess nicht überhastet stattfindet und einzelne Länder unverhältnismäßig stark trifft." Die EBRD wäre bereit, Privatbanken mit Kapitalspritzen zu stützen. Auch der IWF soll für die Sache zu haben sein.

Ein weiters Problem, das gelöst werden soll, ist die mangelnde Koordination regionaler Aufseher. Da die Wiener Initiative Ende 2010 ausgelaufen ist, gibt es derzeit keinen festen Rahmen für Absprachen. Das hat sich diese Woche bereits bemerkbar gemacht.

Anfang der Woche haben OeNB und FMA neue Vorschriften für die Aktivitäten österreichischer Banken in Osteuropa erlassen. So müssen Institute wie Erste und Raiffeisen International die strengeren Eigenkapitalanforderungen des Regelwerks Basel III schon 2013 (nicht erst 2019) umsetzen. Die Ankündigung hat IWF, EBRD und EU-Kommission auf dem falschen Fuß erwischt. "Die österreichischen Aufseher haben das schlecht kommuniziert und niemanden vorgewarnt. Dadurch ist ein gewisser Schaden entstanden", heißt es aus dem Umfeld der EBRD. Bei den Internationalen Organisationen sei die Furcht umgegangen, Österreich bereite einen Teilrückzug der Banken "ganz im Widerspruch zu den Prinzipien der Wiener Initiative" vor. Nach Informationen des Standard mussten FMA und OeNB am Donnerstagmorgen Experten von Kommission, Währungsfonds und EBRD Rede und Antwort stehen und erklären, was sie eigentlich genau vorhaben. Zudem monieren andere Insider, dass die Aktion zu einem schlechten Zeitpunkt angekündigt wurde, da die Turbulenzen in der Region ohnehin zunehmen.

Kritische Töne kamen auch aus Tschechien. Der Vizegouverneur der Notenbank in Prag, Mojmir Hampl, beklagte sich darüber, dass man über die neuen Maßnahmen im Vorhinein "nicht konsultiert" wurde. Zuvor hatte sich die polnische Regierung bereits ähnlich geäußert. (András Szigetvari, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 25.11.2011)