Bild nicht mehr verfügbar.

Lautstark gegen die Perspektivlosigkeit: Studierende und Jungakademiker protestieren dagegen, dass ihre Zukunft weggespart wird, doch viele von ihnen wollen nur noch raus aus Griechenland.

Foto: EPA

Athen - Griechenland steckt tief in der Krise und mit ihm seine Universitäten. Im Oktober erklärte die griechische Rektorenkonferenz, dass die Hochschulen nicht mehr in der Lage seien, ihre Bildungs-, Forschungs- und Verwaltungsaufgaben zu finanzieren. "Die Regierung hat unser Budget dieses Jahr um die Hälfte reduziert", sagt Theodosios Pelegrinis, Rektor der Universität von Athen. Geld fehle an allen Ecken und Enden.

Die Budgetkürzung veranlasste die Unis zu massiven Einschnitten. Eine der größten Hochschulen, das Technische Ausbildungsinstitut von Piräus, habe die Unterrichtsstunden beispielsweise um 50 Prozent gekürzt, berichtet Dimitris Vitalis von den Kommunistischen Studenten. Andere Unis reagierten, indem sie die Stunden, die ein Student pro Semester absolvieren dürfe, verringerten. "Das führt dazu, dass einige ein ganzes Jahr warten müssen, bis sie einen Kurs besuchen können." Allerdings dürfe man nur zwei Jahre über die Regelstudienzeit hinaus studieren, danach fliege man von der Uni. Dimitris: "Viele werden gezwungen sein, ihr Studium abzubrechen. Die Situation ist heuer explosiver denn je." Vergünstigungen bei Essen, Unterkunft, öffentlichem Verkehr oder Büchern seien ohnedies längst dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Wenig besser ist die Situation der Wissenschafter und Lehrenden. "Wir mussten die ohnehin niedrigen Gehälter unserer Mitarbeiter drastisch kürzen", klagt Rektor Pelegrinis.

Hälfte der Jungen arbeitslos

Konstantinos Diamantikos, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europäische Integration und Politik der Uni Athen, ergänzt, dass kleinere Hochschulen noch wesentlich mehr unter Druck seien. "Kollegen mit befristeten Verträgen werden abgebaut, andere mit 60 Prozent ihres Gehalts beurlaubt." Durch den Geldmangel sieht er "die bloße Existenz mancher Hochschulen in Gefahr". Die Misere zog heftige Proteste und Besetzungen nach sich. Die Regierung antwortete im August mit der Abschaffung des weltweit einzigartigen Universitäts-Asyls. Dieses hatte der Polizei seit Ende der Diktatur 1974 verboten, auf Uni-Boden einzugreifen.

Selbst wer in dieser Extremsituation ein Studium abschließt, hat kaum Chancen auf einen adäquaten Job. Laut der griechischen Statistikbehörde Elstat betrug die Jugendarbeitslosigkeit im Sommer bereits 43,5 Prozent. Hinzu kommt, dass sich viele junge Griechen gar nicht arbeitslos melden, da sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Die Dunkelziffer dürfte also höher liegen. Zur Perspektivlosigkeit komme das Gefühl, betrogen zu werden, sagt Jungakademiker Konstantinos. "Es ist nicht fair, von den Jungen zu verlangen, jahrzehntelang für die Fehler früherer Generationen zu bezahlen." Die meisten seiner Freunde hätten bereits das Land verlassen, um im Ausland einen Job zu suchen.

Deutschland wirbt ab

Tatsächlich hat eine Umfrage des Instituts Kapa Research ergeben, dass 70 Prozent der jungen Absolventen auswandern wollen. Staaten wie Deutschland, die unter Fachkräftemangel leiden, bemühen sich gezielt um griechische Jungakademiker. Vor allem Medizinabsolventen sind gefragt. Die deutsche Zentrale für Auslands- und Fachvermittlung sieht in diesem von ihr aktiv geförderten Braindrain keinen Beitrag zur Vertiefung der Krise. Eine Sprecherin verweist schlicht auf das Recht der Griechen, im EU-Ausland zu arbeiten. Immerhin werde damit "die Arbeitsmarktsituation dort entlastet".

Auch Konstantinos denkt ans Weggehen. "Es wäre schwierig, ein Jobangebot mit besseren Arbeitsbedingungen und höherer Bezahlung abzulehnen. Wer könnte da Nein sagen?" (Kristina Nedeljkoviæ, Valentin Schwarz, UNISTANDARD, Printausgabe, November 2011)