Ariel Muzicant bemüht sich um einen Paradigmenwechsel im Umgang mit rechtsextremer Hetze.

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"Ich finde die Aussage Kickls entsetzlich", kommentierte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Ariel Muzicant, am Donnerstag eine Wortmeldung des FPÖ-Generalsekretärs, die schon in der vergangenen Woche für Aufregung gesorgt hatte. Dabei verteidigte Kickl in einer Nationalratsdebatte rund um die Pensionen österreichische Pensionisten, die nicht "davongelaufen" seien, wie "andere aus aller Herren Länder, die nun verhätschelt werden" (derStandard.at berichtete). Während Muzicant die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium lobt, erkennt er vor allem bei der Justiz Versäumnisse bei der Verfolgung Rechtsextremer.

Muzicant: "Ungeheuerlich, dass nichts passiert."

Warum er erst jetzt darauf reagiere, erklärte Muzicant damit, sich vorgenommen zu haben, "bei solchen Rülpsern erst einmal abzuwarten". Er wollte zuerst die Reaktionen von Politik, Medien und der Öffentlichkeit beobachten und fände es "ungeheuerlich", dass nichts passiert sei und solche Aussagen von der Öffentlichkeit einfach hingenommen werden. Es sei völlig klar, dass Kickl die Juden gemeint hatte, die vor den Nationalsozialisten flüchten mussten, so Muzicant weiter. "In Deutschland hätte Kickl innerhalb von Sekunden zurücktreten müssen. Er wäre im Müll der Geschichte gelandet", empörte sich der IKG-Präsident darüber, dass Vergleichbares in Österreich nahezu wöchentlich und ohne Konsequenzen passiere. Vor allem aus den Reihen der FPÖ würden laut Muzicant immer wieder "Kellernazis" mit antisemitischen Symbolen und Codes Politik machen. Besondere Gefahr sieht er darin, dass "diese Hetze den Nährboden für das aufbereitet, was in Deutschland zu 10 Morden durch Neonazis geführt hat".

Mitschuld auch bei Regierung

Diese Zustände würden dazu führen, dass solche Aussagen von der Öffentlichkeit kaum noch bemerkt werden. "Daher bemühe ich mich um einen Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung dieser Dinge", so Muzicant. Dafür wäre nicht nur ein Umdenken der Medien nötig, für die schon vieles hoffähig und normal sei. Auch bei den Regierungsparteien würde vieles verharmlost, indem sie sich eine Zusammenarbeit mit der FPÖ offen ließen.

"Zusammenarbeit mit Innenministerium funktioniert"

Zum Umgang Österreichs mit rechtsextremem Terror im Vergleich zu Deutschland, sagt Muzicant aber: "Wir haben nicht den ganzen Zirkus, weil wir ein ordentliches Verbotsgesetz haben." Die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium funktioniere hervorragend, Probleme gebe es aber mit der Justiz. Immer wieder würden Anzeigen im Zusammenhang mit Rechtsextremismus nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgt. So liege etwa eine Anzeige des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes gegen die als rechtsextrem eingestufte Zeitschrift "Aula" seit einem Jahr bei der Staatsanwaltschaft. Die IKG strebe daher ein Gespräch mit Justizministerin Beatrix Karl an. "Es muss ein stärkeres politisches Interesse geben, dass etwas passiert", so Muzicant.

FPÖ wehrt sich gegen Vorwürfe

Die FPÖ will sich die Kritik nicht gefallen lassen. Mit seiner "dumpfen Anti-FPÖ-Propaganda" habe Muzicant "die Entwicklungen der vergangenen Jahre komplett verschlafen", kritisierte der freiheitliche Generalsekretär Harald Vilimsky in einer Aussendung die "gewohnt unqualifizierten Aussagen" des IKG-Präsidenten. Herbert Kickl sei "bewusst fehlinterpretiert" und "absichtlich missverstanden" worden. (mxd/APA, derStandard.at, 24.11.2011)