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Bernadette Ségole fordert Wachstumsimpulse.

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Wien - Viel zu spät kommt für die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Bernadette Ségole, der Vorschlag der EU-Kommission nach gemeinsamen Anleihen der Euroländer. Wäre schon vor Monaten ein gemeinsamer "Schulden-Pool" geschaffen worden, hätte sich die wechselseitige Ansteckung der Schuldenländer vermeiden lassen, sagte Ségole am Mittwoch bei einem Wien-Besuch.

Sie beklagte das Fehlen von "politischem Leadership" in Europa. Von steigenden Zinskosten waren zuletzt, abgesehen von Deutschland, beinahe alle EU-Staaten betroffen - auch Österreich. Es brauche daher "mehr europäische Solidarität", nicht weniger, meinte Ségole. Für die Gewerkschaftsvertreterin steht dabei außer Streit, dass man von den hohen Schuldenständen runter muss und mehr wirtschaftliche Koordinierung innerhalb der EU benötigt.

Der von den europäischen Regierungen eingeschlagene Weg dahin sei aber der falsche. Nur zu sparen und zu kürzen funktioniere nicht, verwies sie auf das praktisch in allen Euroländern fast zum Erliegen gekommene Wachstum. Sie kritisierte, dass man die Wettbewerbsfähigkeit durch Druck auf Löhne und Sozialleistungen sowie den Abbau von öffentlichen Dienstleistungen verbessern wolle. "Das ist nicht die EU, die wir haben wollen."

Es gelte, das europäische Sozialmodell zu verteidigen und nicht das zu zerstören, was über Jahre aufgebaut worden sei. Vor allem an kollektivvertraglichen Vereinbarungen dürfe nicht gerüttelt werden. Diese hätten sich bewährt, wie die vergleichsweise erfolgreichen Länder Deutschland, Österreich oder auch die skandinavischen Staaten zeigen würden.

Nötig seien nun vor allem Wachstumsimpulse, meinte Ségole, wobei sie auch dabei Vorteile durch Eurobonds erwartet. Durch niedrigere Zinsen könne die öffentliche Hand verstärkt für Investitionen sorgen, meint sie.

Gegen Steuerwettbewerb

Gleichzeitig müsse der Steuerwettbewerb innerhalb der EU aufhören sowie endlich die Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Und die gebürtige Französin plädiert auch dafür, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch stärker als bisher als Krisenfeuerwehr eingesetzt wird. Zuletzt waren ja Rufe laut geworden, die EZB solle unbegrenzt Anleihen von Krisenländern kaufen, um so deren Zinslast zu senken. Die damit verbundene Gefahr einer noch höheren Inflation ist für Sègole sekundär. Im Vergleich dazu seien andere Risiken aktuell "viel gefährlicher".

Von den nun allerorts diskutierten Schuldenbremsen im Verfassungsrang hält Sègole nichts. Sie spricht von einer "Zwangsjacke". Es bestehe die Gefahr, dass die Flexibilität zu sehr eingeschränkt werde, man brauche weiterhin einen gewissen nationalen Spielraum bei der Wirtschaftspolitik. (Günther Oswald, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.11.2011)