Überblick über die Feinstaubbelastung in Wien und Graz der vergangenen zehn Tagen.

Grafik: Der Standard

Wien/Graz - Beim Feinstaub fühlen sich alle irgendwie zuständig - und auch wieder nicht. Greenpeace fordert angesichts der anhaltenden Grenzwertüberschreitungen einen Straßenbaustopp und Fahrverbote, der Verkehrsclub Österreich plädiert für die Einrichtungen von Umweltzonen in Graz und Wien, die Grünen rufen nach einem Krisengipfel. Sogar die Umweltreferentin der Diözese Graz-Seckau sprach sich dafür aus, das Auto stehen zu lassen.

Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) befand am Dienstag am Rande des Ministerrats zunächst, er sei "nicht zuständig" (siehe Bericht). Es sei eindeutig Sache der Länder zu handeln. Ein paar Stunden und empörte Reaktionen später sagte seine Sprecherin, dass Berlakovich gemeint habe, dass er 2010 die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen hat, für deren Umsetzung die Länder verantwortlich seien.

"Grazer zunehmend krank"

In Graz, das wegen seiner Kessellage unter einer der höchsten Feinstaubbelastungen Europas leidet, zählte man am Dienstag den 63. Tag in diesem Jahr, an dem der von der EU erlaubte Tagesmittelwert überschritten wurde. Die Grazer Vizebürgermeisterin Lisa Rücker (Grüne) wandte sich am Dienstag mit der Medizinerin Helga Ruschka an die Öffentlichkeit und forderte Fahrverbote als Sofortmaßnahme. "Es reicht", sagte Rücker, "die Grazer leiden unter der ständigen Belastung und werden zunehmend krank."

Zwischen 80 und 100 Kinder würden täglich mit Atemwegsproblemen in die Kinderklinik gebracht. Die Verhängung von Fahrverboten ist gesetzlich im Immissionsschutzgesetz Luft gedeckt, kann aber nur vom Land verordnet werden. Deshalb ging Rückers Forderung an Landeshauptmann Franz Voves (SP), der die Causa "zur Chefsache machen soll". In der Steiermark ist seit 2010 Gerhard Kurzmann (FP) Referent für Verkehr und Umwelt, dessen Vorschläge will Voves vorerst abwarten. Als längerfristige Maßnahme fordert Rücker Umweltzonen.

Vassilakou kann sich Fahrverbot nur schwer vorstellen

In Wien, wo gerade das dritte Feinstaubpaket umgesetzt wird, werde die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung und die Erhöhung der Tarife fürs Kurzparken eine deutliche Verbesserung bringen, ist die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou überzeugt. Jede zehnte Fahrt in Wien sei kürzer als zwei Kilometer, die Hälfte kürzer als fünf.

Vassilakou: "Der Verkehr ist beim Feinstaub die Schraube, an der gedreht werden kann." Wie fest sie diese Schraube anziehen möchte? "Ein totales Fahrverbot ist grundsätzlich denkbar, aber nur die Ultima Ratio." An einem Arbeitstag sei dies nur sehr schwer vorstellbar, aber auch ein Fahrverbot an Sonntagen bedürfe eines großen logistischen Aufwands. In Wien gilt für Lkws der Klasse Euro-0 ein Fahrverbot, das ab kommendem Jahr auf Euro-1 ausgedehnt wird.

Wenn in Wien die Ausweitung der Kurzparkzone doch nicht den gewünschten Effekt zeigt, sind laut Koalitionsabkommen Umweltzonen geplant. (Bettina Fernsebner-Kokert, Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2011)