Smart Implant": Ein Sensor (unten) auf einer Titanlochplatte sendet Messdaten.

Foto: Lepperdinger

Man stelle sich vor: Einem Senioren wird nach einem Sturz mit Knochenbruch ein künstliches Hüftgelenk eingepflanzt. Der Mann leidet an Osteoporose, seine Angehörigen bangen um seine Genesung. Doch schon zwei Wochen nach der Operation hat der behandelnde Arzt gute Nachrichten. Die vom Implantat gesendeten Daten zeigen bestes Zellwachstum auf, verkündet er. Bald werde das Metall fest im Knochengewebe verankert sein.

Ein künstliches Gelenk sendet Daten? Science-Fiction? Nicht wirklich. Die Entwicklung sogenannter "Smart Implants", die dank modernster Technik gleichzeitig verschiedene Funktionen übernehmen können, haben in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. In Experimenten werden Implantate zunehmend mit Nanotechnologie und Mikroelektronik ausgerüstet.

An ihren Oberflächen werden mikroskopisch kleine Spezialstrukturen aufgetragen, die unter anderem zellwachstumsfördernde Substanzen freisetzen oder beim Auftreten bakterieller Krankheitserreger Antibiotika.

Eingebaute Mikrosensoren dagegen sollen direkt über die Entwicklungen vor Ort berichten. So wollen Mediziner zukünftig die Heilungsprozesse verfolgen, ohne dabei von Röntgen- oder anderer externer Messtechnik abhängig zu sein.

Ein Auge auf den Knochen

Wie nehmen die umliegenden Zellen das Implantat an, wie schnell regenerieren sich die angrenzenden Gewebe, und hat sich das künstliche Ersatzteil seit seinem Einbau womöglich verschoben? All diese Fragen sollen "Smart Implants" selbst beantworten können. Günter Lepperdingers Arbeitsgruppe am Institut für Biomedizinische Altersforschung der ÖAW (siehe Interview) beteiligt sich an diesen Studien, auch an der Entwicklung des sogenannten "Bone Eye". Dabei handelt es sich um einen Mikrosensor, der ein eigenes elektromagnetisches Feld aufbaut und dann registriert, wie sich die Impedanz, praktisch der Widerstand, innerhalb dieses Feldes in seiner Umgebung verändert.

Dadurch lässt sich die Neubildung von Knochengewebe am Implantat messen. Die Messdaten gelangen per Funk zum Ablesegerät des Arztes, der so die Einheilung auf Schritt und Tritt überwachen kann. Die Verwendung von speziell strukturierten Oberflächen aus Titan fördert zudem die Integration des künstlichen Materials im Knochengewebe.

Die Bone-Eye-Technologie dürfte nicht nur Patienten zugutekommen. Die Sensormessungen werden der Wissenschaft auch wertvolle Daten über die Regeneration von Knochen durch die Aktivität von mesenchymalen Stammzellen liefern. (deswa/DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2011)