Die Luftreinhaltung sei Ländersache, erklärte Umweltminister Berlakovich.

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Die extrem hohen Feinstaubwerte haben Umweltorganisationen veranlasst, den Umweltminister zum Handeln aufzurufen. Doch Nikolaus Berlakovich erklärte sich im Ö1 Morgenjournal für "nicht zuständig": Die Luftreinhaltung sei Ländersache, so Berlakovich. Er habe seinen Beitrag mit der Erstellung des "Immissionsschutzgesetz (IG) Luft" geleistet. Mehr könne er gegen die Feinstaubbelastung nicht tun.

Berlakovich vergleicht das "IG Luft" mit einem Werkzeugkoffer, aus dem sich jedes Bundesland die sinnvoll erscheinenden Maßnahmen wie Tempolimits, weniger Winterstreudienste oder Fahrverbote herausnehmen müsse. "Hier müssen die Bundesländer einfach konsequenter sein", so Berlakovich.

Grüne: Feinstaub-Krisengipfel zwischen Bund und Ländern

"Die bisherigen Maßnahmen auf Bundes- und Länderebene zur Feinstaubbekämpfung sind offenbar nicht ausreichend", kritisiert die grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner. Angesichts der alarmierend hohen, gesundheitsgefährlichen Feinstaubbelastung in Österreichs Ballungsräumen unterstützt die Umweltsprecherin die Forderung des Grünen Umweltlandesrates Rudi Anschober nach einem Feinstaub-Krisengipfel zwischen Bund und Ländern. "Bei einem Krisengipfel sollen ohne Tabus einerseits wirksame Maßnahmen festgelegt werden, um die Feinstaubbelastung mittelfristig zu senken und andererseits in akuten Belastungsphasen wirksame Notmaßnahmen umgesetzt werden", so Brunner.

Die Grünen fordern weiter einen Stopp geplanter Autobahnausbauprojekte und einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Brunner: "Minister Berlakovich kann sich nicht zurücklehnen, es sind Bund und Länder gefordert. Daher braucht es einen gemeinsamen Krisengipfel."

Auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig sieht im aktuellen derStandard.at-Chat ein Zuständigkeitsproblem: "Feinstaub ist gefangen in einem Ping-Pong des Föderalismusdschungels. Berlakovich schiebt die Schuld auf die Länder, in den Ländern gibts teilweise Bemühungen, teilweise Blockade wie beim steirischen FPÖ-Landesrat Kurzmann, der Umweltzonen in Graz blockiert." Glawischnig spricht sich für ganz konkrete Umwletmaßnahmen aus: "Ich bin für Fahrverbote und Tempolimits, wenn die Belastung hoch ist. Wer einmal einen Asthmaanfall eines Kindes erlebt hat, sieht das auch so."

AK: Minister darf Verantwortung nicht allein auf Länder abschieben

Auch die Arbeiterkammer reagierte am Mittwoch auf die aktuelle Debatte rund um die Feinstaub-Belastung. "Der Landwirtschaftsminister hat bei der Bekämpfung von Feinstaub seine Hausaufgaben noch lange nicht gemacht", sagt AK Umwelt-Experte Franz Greil. Das erst kürzlich novellierte Imissionsschutzgesetz Luft sehe vor, dass der Landwirtschaftsminister mehrere Verordnungen vorlegt, um konkrete Feinstaub-Reduktionen zu erzielen, "bis heute ist aber nichts geschehen".

Greil: "Mein Eindruck: Der Minister nimmt zu viele Rücksichten auf die Interessen der Bauern und der Unternehmen und vernachlässigt darüber die Feinstaubbekämpfung und damit die Gesundheit der Menschen in Ballungsräumen."  Die AK drängt vor allem auf eine Verordnung, die die Feinstaub-Emissionen von Off-Road-Fahrzeugen wie Baumaschinen einschränkt. Auch eine Verordnung, die die Feinstaubbildung von Biogasanlagen behandelt, stehe noch aus, so Greil.

VCÖ fordert Umweltzonen gegen "Giftcocktail"

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) wiederholte am Dienstag seine Forderung nach einer raschen Einführung von Umweltzonen in Graz und Wien. Laut einer Untersuchung des VCÖ gibt es Umweltzonen bereits in mehr als 170 europäischen Städten. "Wer an Tagen wie diesen in der Stadt mit dem Auto im Stau steht, steht in einer Abgaswolke und atmet einen regelrechten Giftcocktail ein", so VCÖ-Sprecher Christian Gratzer.

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace sprach sich für Umweltzonen und den Stopp neuer Straßenbauprojekte aus. "Was wir seitens der Politik dringend brauchen, sind nicht die vielen leeren Worte, die bereits gesprochen wurden, sondern schnell wirksame Maßnahmen und gleichzeitig eine Verkehrspolitik, die darauf abzielt, den Autoverkehr zu verringern", so Jurrien Westerhof, Klima- und Energieexperte von Greenpeace. (red/APA), derStandard.at, 22.11.2011)