"Wenn ein Herr Khol und ein Herr Blecha etwas sagen, erzeugt das mehr Aufmerksamkeit, als wenn ein Herr Moitzi oder ein Herr Nagel etwas sagen."

Foto: BJV

Zwei Mal im Jahr trifft sich die Pensionskommission. Sie legt durch Berechnungen die jährliche Anpassung der Pensionen an die Inflation fest. 34 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Interessensvertretungen versuchen bei den Verhandlungen ihre Anliegen unterzubringen. Unter ihnen auch Philipp Nagel, Mitglied der Jungen ÖVP und Vorsitzender der Bundesjugendvertretung (BJV). Er vertritt im Gremium die Jugend.

Warum die Seniorenvertreter bei der Regierung mehr Gehör finden als die Jungen, welche Vorschläge er für die Reform des Pensionssystems hat und warum er manche Sitzungen schwänzt, sagt Nagel im Interview mit derStandard.at.

derStandard.at: Sie sind der Jugend-Vertreter in der Pensionskommission. Bernhard Schwarz, der Leiter der Kommission, hat in Vorbereitung auf dieses Interview gemeint, die Aktivitäten der Jugendlichen sind innerhalb der Kommission überschaubar. Wie erklären Sie sich das?

Nagel: Überschaubar sind sie womöglich. Man ist da einer von 34 und dementsprechend ist es natürlich schwer, auch vor dem Hintergrund, dass es nur zwei Sitzungen in einem Jahr gibt.

Die politische Tätigkeit der BJV und der Aufschrei der Jungen beschränkt sich aber nicht auf die Pensionskommission. Das ist ein Teil unserer Agenda in Hinblick auf Generationengerechtigkeit und Pensionssicherung, aber sicher nicht die einzige und auch nicht essenziellste.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Arbeit der Pensionskommission?

Nagel: Der Status quo der Kommission darf nicht überbewertet werden: Es handelt sich dabei um ein Expertengremium mit einem klar definierten gesetzlichen Auftrag: Wenn das Gesetz vorsieht, dass die Kommission die Pensionserhöhungen auf Basis des Verbraucherpreisindex (VPI) zu berechnen hat und dies dem Minister vorzulegen hat, wo ist da bitte der Diskussionsspielraum?

derStandard.at: Schwarz sagte auch, es kommt vor, dass die Jugendvertreter oft nicht anwesend sind. Warum gehen Sie nicht hin?

Nagel: Oft nicht anwesend stimmt nicht. Natürlich kommt es vor, dass man sich ab und zu vertreten lassen muss. Aber die BJV ist immer anwesend. Bei der Anzahl an Sitzungen finde ich es unfair zu sagen, dass man sagt, man bringt sich nicht ein. Wenn ich jede Woche eine Sitzung habe und es kommt niemand, ok, aber bei zwei Sitzungen im Jahr zu behaupten, die Jugend würde sich nicht einbringen und würde fehlen ...

derStandard.at: Also Sie sind in Ihren Augen ausreichend anwesend?

Nagel: Die BJV ist grundsätzlich immer anwesend.

derStandard.at: Das heißt, Sie lassen sich auch vertreten.

Nagel: Ich als Person. Aber ich habe Stellvertreter. Die BJV nimmt diese Aufgabe natürlich wahr und das ist wichtig.

derStandard.at: Aber wäre es nicht sinnvoller, wenn jedes Mal dieselbe Person erscheint. Wenn es schon so schwer ist, sich gegen 33 andere Vertreter durchzusetzen?

Nagel: Natürlich, das bin auch ich. Ich lasse das jetzt sicher nicht auf eine Anwesenheitsdebatte minimieren. Wenn ich mich vertreten lassen muss, dann ist das so. Da bin ich nicht der einzige. Da gibt es andere Mitglieder in der Kommission, denen es nicht anders gehen wird. Das betrifft das Berufsleben prinzipiell. Das halte ich nicht für ein Argument, das man in diesem Zusammenhang ernsthaft benennen kann.

derStandard.at: Immerhin geht es um die Alterssicherung einer ganzen Generation.

Nagel: Ja, natürlich. Und deswegen nehmen wir die Aufgabe auch wahr. Die BJV ist auch als Organisation regelmäßig in der Kommission vertreten, das hängt nicht von der jeweils anwesenden Person ab. Das muss ich auch noch einmal sagen.

derStandard.at: Man könnte die Pensionskommission natürlich auch nutzen um Allianzen zu suchen?

Nagel: Es gibt immer wieder Berührungspunkte zu anderen Organisationen. Aber für die BJV ist ganz klar: unser erster Ansprechpartner ist die Regierung. Wir bringen uns als selbstständige Organisation mit unseren Forderungen selbstständig beim Ministerium ein. Würden wir nur die Pensionskommission als Plattform nutzen, kämen wir bestimmt nicht weit.

derStandard.at: Laut Prognosen des Sozialministeriums werden die Jungen im Verhältnis zu heutigen Pensionisten um 20 bis 30 Prozent weniger Pension bekommen. Was sagen Sie zu solchen Berechnungen?

Nagel: Das ist natürlich dramatisch. Vermutlich wird es zu einschneidenden Situationen kommen. Man sieht daran, dass es höchste Zeit ist, Reformen zu setzen. Damit es nicht dazu kommt, dass der Erhalt einer Pension einer Mindestsicherung gleichkommt. Dieses Problem ist nicht erst seit gestern bekannt, sondern seit Jahren.

derStandard.at: Was sind die Hauptprobleme des derzeitigen Systems?

Nagel: Wir wissen alle, dass wir ein Pensionssystem haben, das wir uns auf lange Sicht nicht mehr leisten werden können. Es gibt viele verschiedene begleitende Umstände, die man reformieren muss. Dabei geht es weniger nur um das Pensionssystem, sondern vor allem auch um Fragen des Arbeitsmarktes und der Bildung. Wir brauchen auf jeden Fall eine starke Erhöhung der Frauenerwerbsquote und einen Ausbau von normalen Arbeitsplätzen im Sinne von Regelarbeitsplätzen von jungen Menschen. Stichwort "Generation Praktikum": das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es gibt viele, die nach dem Studium in Praktika gezwängt werden, wodurch für sie auch Beitragszeiten verloren gehen. Das ist auch Geld, das dem Pensionssystem fehlt. Wir müssen auch schauen, dass das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche angehoben wird. Wir brauchen Anreize, dass ältere Arbeitnehmer länger arbeiten können und auch dürfen.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Arbeit der Seniorenvertreter, die sich mit ihren Forderungen meistens durchsetzen?

Nagel: Die BJV pflegt seit jeher ein sehr gutes Verhältnis zum Seniorenrat, wir treten auch gemeinsam auf. Zunächst einmal dahingehend, dass wir uns sehr stark darum bemühen, endlich auch von den alten Sozialpartnern als neue Sozialpartner gleichwertig akzeptiert zu werden. Wir stellen uns auch gemeinsam gegen die sehr oft plakatierte Aussage, dass es hier einen Generationenkonflikt gibt. Es gibt keinen Kampf "alt gegen jung". Natürlich sind die inhaltlichen Positionen nicht immer übereinstimmend, aber grundsätzlich sind wir beide bedacht darauf, das Pensionssystem zu sichern. Ich glaube weder der Seniorenrat, noch die Bundesjugendvertretung hat einen anderen Ansatz, als die Pensionen zu sichern. Und zwar langfristig.

Was die Durchsetzbarkeit anbelangt müssen Sie die Politik fragen, wieso bei der Seniorenvertretung besser hingeschaut wird, als wenn die Jugendvertreter etwas fordern.

derStandard.at: Worin liegt ihre Erklärung dafür?

Nagel: Zum einen ist klar, dass die Seniorenvertreter schon von der Masse an Menschen, die sie repräsentieren, mehr sind und damit natürlich potenziell eine stärkere, breitere Wählerschicht repräsentieren. Zum anderen sind die Forderungen wesentlich homogener, als sie es in der Bundesjugendvertretung sind. Die BJV hat über 50 Kinder- und Jugendorganisationen als Mitglieder. Natürlich gibt es eine viel stärkere Heterogenität in der Organisation und damit auch ein viel breiteres Spektrum an Meinungen, die unter ein Dach gebracht werden müssen.

Da kann natürlich ein Seniorenrat mit wesentlich mehr Homogenität auftreten. Nicht zuletzt liegt es auch an den Personen, die im Seniorenrat an vorderster Front tätig sind. Das sind langjährig erfahrenen Politiker, die nicht nur Netzwerke haben, sondern vor allem auch mediale Aufmerksamkeit. Wenn ein Herr Khol und ein Herr Blecha etwas sagen, erzeugt das mehr Aufmerksamkeit, als wenn ein Herr Moitzi (Vorsitzender der Sozialistischen Jugend und der BJV, Anm.) oder ein Herr Nagel etwas sagen.

derStandard.at: Funktioniert der Generationenvertrag?

Nagel: Der funktioniert, wir müssen nur darauf achten, dass wir ihn auch beibehalten. Wir dürfen nicht Gefahr laufen, dass er in eine Schieflage gerät. Und nicht mehr funktionieren kann.

derStandard.at: Anlässlich der jüngsten Festlegung der Pensionskommission auf eine Erhöhung der Pensionsn um 2,7 Prozent, hat der für die Pensionen zuständige Sektionschef im Sozialministerium, Walter Pöltner, im Interview mit derStandard.at gesagt, er wundert sich, dass sich die Jungen das gefallen lassen. Warum wehren Sie sich nicht mehr?

Nagel: Naja, was heißt wehren? Ich meine, die BJV wehrt sich und fordert schon seit Jahren Reformen ein. Ich sage immer, egal wie laut man schreit, wenn das Gegenüber taub ist, hilft auch das Schreien nichts. Man muss gehört werden. Ich bin der festen Überzeugung es liegt weniger an denen, die sich aufregen, als an denen, die es hören sollten. Und es liegt nicht an inflationären Anpassungen der Pensionen, dass das System zusammenzubrechen droht, sondern an der Struktur des Pensionssystems.

derStandard.at: Wie wichtig ist Ihnen persönlich die Pensionsthematik?

Nagel: Sehr wichtig. Das ist eine der wichtigsten Agenden, die uns im Moment beschäftigen. Und da meine ich jetzt nicht nur die BJV, sondern die Gesellschaft. Es geht um einen wichtigen Eckpfeiler des Sozial- und Wirtschaftsstaates.

derStandard.at: Haben Sie eine private Pensionsvorsorge?

Nagel: Ich habe eine, ja. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 21.11.2011)