"Der Einkommensteuertarif muss komplexer werden," schlägt Prof. Gottfried Haber vor

Komplexer als bisher und damit treffsicherer muss der Tarif, vor allem der Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer, sein. In Zeiten der elektronischen Abwicklung des Steuersystems muss man sich nicht auf nur einige wenige Progressionsstufen mit Stufen und Sprüngen beschränken, sondern kann ohne Schwierigkeiten viel "weichere", also flachere Steuertarife entwickeln. Damit würden drastische Progressionssprünge und Verzerrungswirkungen vermieden werden. Unsere Welt besteht aus vielen feinen Abstufungen - unser Steuersystem sollte auch so aufgebaut sein. Ein "weicher" Tarif würde also ein Einkommen definieren, ab dem die Steuerpflicht einsetzt, zum Beispiel in der Größenordnung der Mindestsicherung oder einer anderen sinnvollen Grenze. Danach steigt dann der Steuersatz für jeden weiteren verdienten Euro anhand einer Formel langsam, aber kontinuierlich an, bis der
Höchststeuersatz erreicht ist.

Das durchschnittliche Steueraufkommen müsste sich bei einem derartigen Tarif gar nicht verändern, allerdings würde es zu einer Umverteilung der Steuerlast kommen, bei der vor allem der ohnehin stark belastete Mittelstand entlastet würde. So könnte z. B. dabei auch die Grenze für den Höchststeuersatz angehoben werden bzw. auch eine Reduktion des Spitzensteuersatzes von 50 Prozent auf z. B. 45 Prozent vorgenommen werden. Wenn die Bemessungsgrundlagen vereinfacht und vereinheitlicht werden (siehe oben), wäre dafür finanzieller Spielraum vorhanden, und es könnten durch einen geringeren Grenzsteuersatz Leistungsanreize geschaffen werden. Der Tarif der Einkommensteuer soll daher bis zu einem Betrag von 10.000 EUR 0 Prozent betragen und dann kontinuierlich linear für jeden verdienten Euro ansteigen, bis bei 100.000 EUR ein Spitzensteuersatz von 45 Prozent erreicht ist.

Die Lösung von BZÖ-Chef Josef Bucher: "Steuern müssen niedriger, einfacher und gerechter werden"

Das BZÖ fordert ein einfaches, aber revolutionäres Steuersystem, durch das die kalte Progression und die soziale Ungerechtigkeit des derzeitigen Steuersystems beendet werden.

Kern dieses Vorschlags ist eine Flat-Tax, also ein einheitlicher Abgabensatz, die zusammen mit einem Steuerfreibetrag in Höhe von 11.000 Euro Gerechtigkeit durch eine deutlich niedrigere Gesamtbelastung kleiner und mittlerer Einkommen, aber eine höhere Belastung sehr hoher Einkommen garantiert. Die Einheitsabgabe im BZÖ-Modell ersetzt Lohn- und Einkommensteuer sowie die Sozialversicherungs-Beiträge. Dem Steuerzahler wird nur ein einziger und einheitlicher Prozentsatz abgezogen. Vom Jahreseinkommen wird zuerst der Steuerfreibetrag von 11.000 Euro subtrahiert. Von der verbleibenden Summe wird die Flat-Tax samt Sozialversicherung in der einheitlichen Höhe von 44 Prozent abgezogen - für Steuer und Sozialversicherung. Im Bereich von Bruttojahreseinkommen zwischen der Geringfügigkeits-Grenze und 14.235,28 Euro gilt dagegen ein einheitlicher Abgabensatz von zehn Prozent, der die jetzigen Abgaben für Sozialversicherung und Lohnsteuer (ab 10.000 bzw. 11.000 Euro Jahresbruttoeinkommen) ersetzt. Insgesamt werden durch das Flat-Tax-Modell nahezu alle Steuerpflichtigen deutlich entlastet. Lediglich für Spitzenverdiener mit sechsstelligen Jahresgagen steigt - im Gegensatz zur derzeitigen Einkommensteuer - die Belastung. Im Rahmen der Flat-Tax soll organisatorisch das Prinzip der Individualbesteuerung beibehalten werden, wirtschaftlich jedoch soll die Familienförderung mittels steuerlicher Vorteile entscheidend an Gewicht gewinnen.

Ein noch komplizierteres Steuern - wie es Prof. Haber vorschlägt - ist meiner Meinung nach der falsche Weg. Die Bürgerinnen und Bürger finden sich heute schon nicht im Steuerdschungel zurecht. Ziel muss es sein, dass künftig jeder Österreicher sein Steuer- und Abgabenaufkommen auf einem Bierdeckel ausrechnen kann. (derStandard.at, 23.11.2011)