In einer Zeit, in der die Eurozone in größter Gefahr ist, nützen ideologisch vorgegebene Antworten nur wenig. Stattdessen müssen Experten und Entscheidungsträger flexibel und pragmatisch auf die jeweilige Situation reagieren, damit so das Schlimmste – nämlich das Auseinanderbrechen des Euro – verhindert werden kann.

Leider ist oft das Gegenteil der   Fall. Von allen Seiten hört man Argumente, die lang gehegten Überzeugungen und Ideologien entsprechen, aber nicht unbedingt der Realität.

So etwa von Jens Weidmann, dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank, und leider auch Mario Draghi, dem neuen Chef der Europäischen Zentralbank. Beide lehnen es ab, dass die EZB als „lender of last resort“ in der Eurozone agiert und die Staatsanleihen der hochverschuldeten Staaten aufkauft, wenn die Finanzmärkte es nicht mehr tun. Sie fürchten um die Glaubwürdigkeit der Anti-Inflationspolitik der EZB, wenn diese die Druckerpresse anwirft.

Das klingt ja  vernünftig. Aber irgendjemand muss in Finanzmärkten „lender of last resort“ sein, um zu verhindern, dass eine Vertrauenskrise zu einem Finanzkollaps führt. Und das kann nur die EZB. Das ist keine ideologische Position, weder links noch rechts, sondern ein ehernes Gesetz der modernen Geldwirtschaft.

Die Haltung der EZB-Spitze ist im besten Fall leichtsinnig, im schlechtesten aber katastrophal.

Wenn Bundesbank und EZB an ihren Standardsätzen festhalten, dann werden sie am Ende zwar sehr viel anti-inflationäre Glaubwürdigkeit haben, aber keine Währung mehr, für die sie diese einsetzen können. Denn dann wird die Eurozone  auseinanderbrechen.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums schaut es nicht besser aus. Da gibt der zum linken Lager gehörige dedeutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger ein Interview im Standard, in dem er sich gegen Schuldenbremse und Budgetkonsolidierung ausspricht. Manche seiner Argumente – etwa, dass gleichzeitiges Sparen aller Eurostaaten die Rezessionsgefahr verschärfen – ist korrekt.

Aber Bofinger geht in seiner Argumentation weiter: Er verteidigt die Aufnahme von Schulden, weil Staaten Zukunftsinvestitionen mit Krediten finanzieren sollen. Diese Logik hatte in den siebziger Jahren vielleicht noch ihre Berechtigung – als die Staatsschulden noch niedrig und der Nachholbedarf noch hoch war.

Aber im Jahr 2011 ist diese Begründung einfach absurd. Die Zukunftsinvestitionen von damals müssen ja irgendwann zu Rückflüssen führen und damit weitere Investitionen ohne zusätzliche Kredite ermöglichen. Bei einem Schuldenstand von 75 Prozent (Österreich) oder 85 Prozent (Deutschland) des BIP und einer schrumpfenden, alternden Bevölkerung lässt sich eine weitere Verschuldung nicht rechtfertigen.

Bofinger ist kein Dummkopf. Sonst wäre er nicht zum Wirtschaftsweisen ernannt worden. Auch er muss wissen, wie wenig seine Stehsätze mit der Realität zu tun haben. Wenn er sie dennoch loslässt, dann deshalb, weil er lagerpolitisch und nicht wissenschaftlich denkt – ebenso wie ÖGB-Chef Erich Folglar der mit dem Hinweis auf die Kaufkraft gegen die Schuldenbremse argumentiert.

Entschuldigun Herr Präsident. Aber glauben sie wirklich, wie können durch Konsum auf Pump unseren Wohlstand mittelfristig erhalten? Auch Foglar ist nicht so dumm, wie er klingt. Es geht ihm um die Verteidigung von Positionen, von Interessen. Das Argument ist hier nicht Mittel zum Zweck.

Das Schlimme ist, dass die Beschränktheiten der einen Seite der anderen Munition geben. Solange wichtige Persönlichkeiten in Europa für ein weiteres Schuldenmachen argumentieren, werden Weidmann & Co. gute Gründe finden, sich gegen eine effektive EZB-Intervention zu wehren.

Und so torkelt ein zutiefst gespaltenes Europa dem Untergang entgegen.