"Eigentlich gibt's viel Platz, aber man sieht ja, wie's da ausschaut." Edgar Honetschläger in einer seiner Atelierwohnungen im Gründerzeithaus in Wien-Landstraße.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Der Künstler und Regisseur Edgar Honetschläger wohnt gern chaotisch. Warum ihn das körperlich fit hält, erfuhr Wojciech Czaja auf dem Weg von einem Zimmer ins nächste.

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"Ich wohne mit meiner Familie in diesem gründerzeitlichen Haus im dritten Bezirk. Die Wohnsituation ist das Resultat ständiger Veränderung und Expansion: Wir wohnen auf 50 Quadratmetern im zweiten Stock, unterm Dach nutzen wir zwei kleine Räume als Büro, und in den letzten Monaten haben wir mein ehemaliges Atelier im Souterrain in eine weitere Wohneinheit umgewandelt. Ich benutzte den Lift nicht und laufe täglich x-mal sieben Stockwerke rauf und runter. Das hält mich fit!

Die Wohnung in der Mitte hat viele unterschiedliche Phasen durchgemacht. Ich bin als Student eingezogen und habe sie über all die Jahre behalten, als ich in den USA und in Japan war. Der Architekt Ernst J. Fuchs, der heute das Büro The Next Enterprise leitet, hat mir damals beim Umbau geholfen. Wir haben ein paar Mauern durchbrochen und ein fahrbares Bücherregal und ein halbhohes Bett mit einer Art Baldachin gebaut. Im Kochbereich haben wir den Terrazzo mit Beton erweitert. Dadurch hat das alles einen gewissen Miniloft-Charakter erhalten.

In den Jahren danach war die Wohnung mal Wohnung, mal Atelier, mal Wohnatelier, und seit der Überschwemmung meines Studios vor zwei Jahren hat sie sich auch in einen Lagerraum verwandelt, in dem manchmal mehr untergebracht ist, als der Raum verträgt. Auch wenn's nicht so ausschaut: Ja, es handelt sich dabei in erster Linie um eine Wohnung.

Wohnen, Leben und Arbeiten kann man eh nicht voneinander trennen. Dann hätte ich nämlich das Gefühl: 'Jetzt gehe ich in die Arbeit oder jetzt gehe ich nach Hause.' Das Wohnen ohne Wände hat allerdings ein Problem: Während meine Frau Yukika und mein Sohn Kazuto wegen der Schule früh rausmüssen, bin ich ein ausgesprochener Nachtmensch. Wegen der verschieden tickenden inneren Uhren war das ein bisschen anstrengend. Mit der Adaption der dritten Einheit hat sich das Problem aber gelöst.

Die Küche haben Ernst und ich damals mit geringen Mitteln gebaut. Sie funktioniert nach wie vor einwandfrei. Nur die rosa Post-it-Zetteln auf der Therme sind neu. Vor zwei Jahren hatte ich eine Assistentin aus Frankreich, und die hat die ganzen Zettelchen an die Therme geklebt. Ich weiß nicht mehr, wieso. Jedenfalls vertragen sich Hitze und Post-it recht gut. Die Dinger kleben bombenfest.

Der Rest der Küche besteht aus einem Planschrank mit Holzplatte. Eigentlich gibt's viel Platz, aber man sieht ja, wie's da ausschaut, und deshalb wird das Gemüse bei uns oft auf dem Boden geschnipselt - oder im orangen Fauteuil mit einem Holzbrett im Schoß. Das ist ein großer, breitbeiniger Fünfzigerjahre-Fauteuil, der früher einmal in einem Polizeikommissariat im dritten Bezirk stand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Möbel für Verhöre benutzt wurde. Als das Wachzimmer aufgelöst wurde, bin ich eines Tages durch die leeren Räume gegangen und habe den Fauteuil einsam und verlassen vorgefunden. Jetzt steht das Ding bei uns in der Küche.

Gut, dass die Wohnung mittlerweile leergeräumt ist, denn es war schon etwas zu viel in dem mehr als überschaubaren Ambiente. In Tokio, wo wir in den letzten 20 Jahren gelebt haben, sind wir auch mit weniger Platz ausgekommen. Und Chaos sind wir von dort gewöhnt! Wir mögen es alle drei nicht, wenn alles seinen Platz hat. Durcheinander ist Leben.

Wir vermissen Tokio sehr, aber wir hatten schon seit längerer Zeit darüber nachgedacht, uns zu verändern und nach Europa zu übersiedeln. Fukushima hat unsere Entscheidung beschleunigt. Jetzt bleiben wir mal ein paar Jahre in Wien. Wer weiß, wo uns der Wind als Nächstes hinweht. Los Angeles ist eine Option, an der wir arbeiten. Schließlich ist es nicht weit von Japan. Dazwischen liegt nur der Pazifik." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.11.2011)