Halifax - Gut acht Monate nach seinem Rückzug aus der deutschen Politik steht Karl-Theodor Guttenberg wieder in der Öffentlichkeit - mit neuem Job und neuem Äußeren. Der wegen einer Plagiatsaffäre zurückgetretene Ex-Verteidigungsminister nahm am Samstag als Vertreter einer US-"Denkfabrik" an einer Sicherheitskonferenz im kanadischen Halifax teil. Auf den ersten Blick war Guttenberg aber nur schwer zu erkennen: Die Haare sind nicht mehr nach hinten gegelt, die Brille fehlt.
Es ist der erste Auftritt des CSU-Politikers auf der politischen Bühne seit seinem Rücktritt Anfang März. Vor allem zur Plagiatsaffäre um seine Dissertation, die ihn seinen Doktortitel und den Ministerposten kostete, schweigt er seitdem beharrlich. Auch in Halifax äußerte sich Guttenberg zunächst nicht zu dem Thema und mied die wartenden Journalisten. Die Staatsanwaltschaft befasst sich noch mit dem Fall.
Das Publikum besteht aus Vertretern von Politik, Militär, der akademischen Welt und den in Nordamerika so verbreiteten Denkfabriken. Insgesamt zählt das diesjährige "Halifax International Security Forum" rund 300 Teilnehmer aus mehr als 40 Ländern. Zu den prominentesten Rednern gehören US-Verteidigungsminister Leon Panetta und sein israelischer Amtskollege Ehud Barak.
"Angesehener Staatsmann"
In der Rednerliste von Halifax wurde Guttenberg - korrekt ohne Doktortitel - als "angesehener Staatsmann" ("Distinguished Statesman") aufgeführt. Er habe über die Plagiatsaffäre gelesen, sagte Forumsleiter Peter Van Praagh auf Nachfrage. Das sei für ihn aber kein Thema. "Es geht um seine Erfahrung, deshalb wollen ihn die Leute hören", sagte Van Praagh. "Er war Wirtschaftsminister des größten Landes in Europa und der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, er war Verteidigungsminister", führte er aus. "Herr zu Guttenberg besitzt sehr viel Erfahrung, die er teilen kann."
Für Guttenberg gestaltete sich die Visite in Halifax quasi als Heimspiel. Er war mitsamt seiner Familie im Sommer in die USA umgezogen und lebt nun im US-Staat Connecticut vor den Toren der Millionenmetropole New York. Sein neuer Arbeitgeber sitzt in Washington: das Zentrum für Strategische und Internationale Studien CSIS, wo er die transatlantische Zusammenarbeit voranbringen soll. In der Denkfabrik hatte Guttenberg kurz nach seinem Amtsantritt 2009 eine Rede gehalten, und war schon damals weiter zur Sicherheitskonferenz nach Halifax gereist.
Guttenberg kritisiert seine Ex-Kollegen
Guttenberg stellte den europäischen Politikern ein schlechtes Zeugnis aus. Sie hätten die derzeitige Krise nicht im Griff und versäumten es, auf die Menschen zuzugehen. "Es ist nicht nur eine Eurokrise oder eine Schuldenkrise", sagte Guttenberg auf der Sicherheitskonferenz. "Es ist vor allem eine Krise des Verständnisses und eine Krise der politischen Führung."
Die meisten Deutschen würden mit den Schultern zucken, wenn man sie auf die Krise und Europa anspreche, sagte Guttenberg. "Die Deutschen haben keine Vorstellung davon, wie die Europäische Union funktioniert, wie es zu dieser Krise gekommen ist und was sie bedeutet." Die Schuld sieht er bei den Politikern. "Die Politiker erreichen die Öffentlichkeit nicht, sie erreichen die Menschen nicht."
Eigentlich habe er gedacht, es könne nicht schlimmer werden, sagte Guttenberg. "Aber vielleicht kann es doch." Es gebe immer neue Spekulationen, welches europäische Land als nächstes in Schwierigkeiten gerate, und es herrsche große Uneinigkeit unter den Regierungen.
Er kritisierte vor allem, dass es keine langfristigen Konzepte gebe. "Wir stolpern von einer Ad-hoc-Lösung in die nächste." Guttenberg sprach davon, dass Entscheidungen "panisch" getroffen würden. Es gebe keine Vorstellung, wie die Europäische Union in vielen Jahren aussehen könne. Er sieht die Gemeinschaft aber nicht grundsätzlich in Gefahr. "Sie wird es überleben, aber es fehlt der Enthusiasmus." (APA/dpa)