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Die Betriebskosten für den Föderalismus betragen etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr. Rotstift, tanze!

Foto: apa/Hochmuth

Finanzkrise und Staatsschuldenkrise machen nicht nur die Märkte hysterisch, sie schaffen es vielleicht auch, die heimische Politik zu erwecken. Jetzt soll endlich "richtig" gespart werden, sogar die Polizeiorganisation wird (wieder) reformiert. "Schuldenbremse" wird das Wort des Jahres 2011.

Schön zu hören, kaum zu glauben. Gerade bei der angepriesenen Reform der Polizeiorganisation geht es um Peanuts. Gesundheit und Soziales wären die großen Brocken. Ohne größere gesellschaftliche Auseinandersetzungen wird hier nichts weitergehen. Es gibt aber einen Ausgabenposten, bei dem rasch Ernst gemacht werden könnte: die unnötige Kleinstaaterei in Österreich, der Föderalismus.

Wer braucht heute noch Bundesländer? Wozu muss man mit neun Landesverwaltungen und neun Landtagen neunfach unterschiedlich geregelte Angelegenheiten verwalten? Wozu brauchen wir neun unterschiedliche Jugendfürsorge-, Heil- und Pflegeanstalten oder Regeln zum Elektrizitätswesen? Kein Mensch, der bei Sinnen ist, kann das verstehen.

Konkretes Beispiel: Fürsorglich werden rutschsichere Geländer in den Stiegenhäusern von Pflegeheimen vorgeschrieben - und zur Finanzierung auf Heimat- und Kulturförderung verwiesen. Allenthalben wird formschön auf die innovative Neuregelung des Förderwesens in der Pflege verwiesen, doch die Innovation besteht einzig darin, dass die regional in verschiedener Höhe vorgeschriebenen Eigenleistungen bei der Inanspruchnahme von Pflegedienstleistungen im Verhältnis von 1:3,5 divergieren. Es kommt also drauf an, wo man wohnt, um zu wissen, ob man es sich leisten kann, pflegebedürftig zu werden. Derartige Beispiele gibt es hundertfach.

Was hat uns der Neoliberalismus gepredigt? - Der Staat sei als Unternehmen zu führen, und seine Politik soll sich rechnen. Und werfen wir einen Blick darauf, wie unser "return on investment in democracy" ausschaut, dann sehen wir nur die Gruselkammer der Ineffizienz: gewiss eine Kleinigkeit, dass wir monatlich für neun Landeshauptleute (à € 16.000,-), neun Stellvertreter (à € 15.500,-), 79 Landesräte (à € 14.700,-), 18 Landtagspräsidenten (à € 9000,-), 450 Landtagsabgeordnete (à € 6500,-) und 62 Bundesratsabgeordnete (à € 4000,-) zahlen. Hinzu kommen allerdings noch knapp 1200 Personen in politischen Administrativfunktionen (à € 4500,-) sowie das Personal der Landtagsdirektionen etc.; berücksichtigt man ferner Betriebskosten pro Legislativakt und Vorhaltekosten, so fallen pro Monat ca. 350 Millionen Euro an - und das noch ganz ohne die Beamtenschaft, die dann Sternstunden der Legistik wie etwa die Niederösterreichische Alarmierungsverordnung zu administrieren hat, sowie die Kosten der Parteienförderung auf Landesebene im Ausmaß von ca. 125 Mio. Euro. Aber wir können über den Daumen peilen: Die Betriebskosten des Föderalismus betragen etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr - das ist mehr, als für das ganze Sparpaket des letzten Jahres veranschlagt war!

Bekommen wir etwas für das Geld? - Ja, sicher: Uns werden Landtage "geboten", in denen sich die Besatzung als Jäger und Bauern verkleidet, obwohl deren Anteil an der Gesamtbevölkerung gerade mal drei Prozent erreicht. Es wird eine Legislative "ge-boten", deren Arbeit darin besteht, EU-Recht mit terminologischen Schnörkeln zu versehen und unter der Überschrift "Landesgesetz" zu publizieren. Es wird regulatives Recht "geboten", das unvorhersehbar pendelt zwischen weitgehend sinnfrei unterschiedlichen Jugendschutzbestimmungen und dem Bestemm der Länder, eigene vergaberechtliche Bestimmungen zu erlassen. Alles zusammen das Produkt meist dröger Politfolklore, nichts anderes als die wenig erfreuliche Simulation von Politik - inklusive öffentlichkeitsferner Möglichkeiten, Mandate und Jobs zu vergeben und über sogenannte "Parteisteuern" Einnahmen für die Parteiapparate zu lukrieren. Wer will das?

Gewiss sollten wir in Österreich das gesamte politische Institutionengefüge einer Generalüberholung unterziehen. Hat dazu aber jemand die Kraft? Schelmisch sind die Länder angetreten, gegenüber dem "Wasserkopf" Wien die Interessen der Provinz zu vertreten, und herausgekommen sind regionale Disparitäten innerhalb (!) der Bundesländer, die ein Hohn sind auf alle Vorstellungen von gleichen Lebenschancen.

Was wir tun sollten, ist ganz einfach: Wir schaffen die unnötigen Bundesländer ab. Wir werten die Bezirke auf und vergrößern die Gemeinden, damit sie endlich in zweckmäßiger und sparsamer Weise Müllabfuhr, Wasserversorgung, Schwimmhallen, Fußballplätze, Altenheime etc. unterhalten können. Und zuletzt: Wir wandeln die Bundesländer in effiziente Fremdenverkehrsverbände um, damit die sonst beschäftigungslose Personage ein angemessenes Betätigungsfeld hat. (Nikolaus Dimmel und Alfred Noll, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2011)