Die unterschiedlichen Ausbildungen als Metall- & Karosseriebauer sowie als Restaurator und Bildhauer ermöglichen es Helmut Rome, die oft schwierige Gratwanderung zwischen Kunst, Handwerk und Design zu beschreiten.

Foto: Atelier Helmut Rome

Vergänglichkeit, Verlust, Vergessen und Erinnerung thematisiert der Kärntner Bildhauer Helmut Rome ...

Foto: Atelier Helmut Rome

... in seinem Schönheitsideale hinterfragenden, ästhetisierenden Œuvre.

Foto: Gregor Auenhammer

Als fusionierendes Ergebnis mehrfacher Bildungswege entstanden Skulpturen: Unikate, oszillierend zwischen Kunstwerk, Lichtinstallation und Designobjekt. Porträt einer Entdeckung.

"Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis / das Unzulängliche, hier wird's Ereignis / das Unbeschreibliche, hier ist's getan / das Ewig-Weibliche zieht uns hinan."

Wernberg/Velden/Wien – Diese Sequenz aus Goethes Faust reflektiert scheinbar die neueste, ab 25. November in Wien präsentierte Werkserie des Bildhauers Helmut Rome: weibliche Torsi aus Edelstahl, dessen Bearbeitung von poliert, geschweißt, geflammt, gebürstet bis zu künstlich gerostet changiert. Vordergründig könnte man die lebensgroßen, künstlerisch abstrahierten Figurinen als idealisierte Frauenkörper interpretieren. In Wahrheit aber symbolisieren die Torsi mit ihren Verwundungen und artifiziell modifizierten Oberflächen die Vergänglichkeit juveniler Schönheit.

Die Fama linearer Lebensläufe bestimmt gerade in Zeiten gesellschaftlicher und ökonomischer Krisen die alltägliche Diskussion über perfekte Berufswahl. Die reale Situation aber sieht oft anders aus. Vor allem bei kreativen Professionen. Und es ist kein Einzelschicksal, dass Beruf und Berufung – Obsession und Profession – im Leben zahlreicher Menschen divergieren. Viel kreatives Potenzial bleibt lebenslang ungenutzt. Ein Gegenbeispiel, wie man, widrigen Umständen zum Trotz seiner Vita eine Wendung geben kann, stellt der Lebenslauf des Künstlers Helmut Rome dar. Er zählt zu den Passionierten unter den künstlerisch begabten Menschen, dessen im Inneren schlafende Obsession, kreativ tätig zu sein im Lauf seines Lebens Oberhand gewonnen hat.

In der kleinen Kärntner Ortschaft Wernberg, gelegen zwischen Villach und Velden, zählt es – normalerweise – nicht zu den üblichen Perspektiven, Künstler zu werden. Deshalb, und aus utilitaristischen sowie traditionell-familiären Gründen erlernte der 1967 geborene Helmut Rome zunächst das Handwerk des Metall- und Karosseriebauers. Nach etlichen Berufsjahren allerdings beschloss der Vater zweier Kinder den vorgezeichneten Pfad normativer Lebenswege zu verlassen, seiner Obsession für kreatives Schaffen nachzugehen, und besuchte die Bildhauerschule Geisler-Moroder im Tiroler Elbigenalp, wo er im zweiten Bildungsweg eine Ausbildung als Restaurator und Bildhauer abschloss.

Von Handwerk ...

Anno 2008 machte sich der Kärntner Künstler wider alle Vernunft, entgegen "guten Ratschlägen" selbstständig. Nach ersten Arbeiten im klassischen Stil, inspiriert durch die Tradition der erlernten Profession als Restaurator, gelang es Rome rasch, eine eigene Handschrift zu entwickeln. Er vollführt als Bildhauer, vorrangig aus archaischem Edelstahl, die Visualisierung expressiver Visionen; irisierend, irritierend und ironisierend. Mittels atypischer Fusionierung unterschiedlicher Materialien, innovativer Techniken und experimenteller Anwendung chemischer Reaktionen auf artifiziell verknüpfte Materialien entstehen gleichsam nützliche Design- und dekorative Kunstobjekte. Rome evoziert durch die Nutzung aus dem Mittelalter stammender Rezepturen und Legierungen chemische Reaktionen wie Oxidation und Transformation. Durch bewusstes, künstliches Rosten verfremdet er die Oberfläche seiner Skulpturen und modifiziert somit die teilweise seriell gefertigten Exponate zu Unikaten mit changierenden, irisierenden Farbnuancen.

... Restauration & Design zu ...

Die Skulpturen symbolisieren in ihrer Anlehnung an idealisierte Formen eine Ode an die Weiblichkeit. Seriell betrachtet thematisiert sein künstlerischer Hymnus, trotz vollendeter Ästhetik, aber eher die Vergänglichkeit von Schönheit, die Fragilität des Lebens per se, die von Schönheitschirurgie, Werbe- und Kosmetikindustrie präferierte Körperwelten ironisierend. Romes Silhouetten kann man als Sinnbild des Weiblichen interpretieren: die Frau als Mutter, Freundin, Gemahlin, Geliebte, Heilige und Hure. Sein vorrangig verwendetes Material kombiniert er mit Holz und anderen Metallen. Dank einer speziell entwickelten Schweiß-Methode fertigt der gelernte Karosseriebauer zunächst einen idealisierten Korpus an, den er in weiterer Folge mittels Oxidation, artifizieller Rostung und manueller Bearbeitung modifiziert: poliert, geschweißt, geschliffen, gebürstet, gerostet oder lackiert. Basierend auf den Erkenntnissen seiner unterschiedlichen Berufsausbildungen und persönlichen Erfahrungen fusioniert er gekonnt Handwerk und Kunst. Etliche seiner Skulpturen erhalten in der Endfertigung ein Innenleben aus Neon und erfahren dadurch den Nutzen eines Designobjektes alias Lichtinstallation.

Abseits des abgeschiedenen Elfenbeinturms, in den sich viele Künstler gerne aus Negation der Realität oder Selbstschutz flüchten, ist das Selbstbildnis des Menschen Helmut Rome: bodenständig, erdig, direkt, ehrlich und authentisch. Eigenschaften, die der 44-Jährige am heimischen Kunstmarkt vermisst. Um sich nicht, gemäß den üblichen Usancen, dem Markt anbiedern oder gar politisch prostituieren zu müssen, geht er auch in puncto Vermarktung seiner Werke andere, unorthodoxe Wege. Bewusst positioniert er seine Objekte, neben der permanenten Präsentation im Wernberger Atelier als Irritation, als künstlerische Intervention im öffentlichen Raum: beim Friesacher Kultursommer, in Boutiquen in Wien und Velden oder ab 25. November im "First Vienna Day Spa" in Hietzing.

Oszillierend zwischen Schmiedehandwerk und Design, angewandter und bildender Kunst – variabel ausgestattet mit modernen Technologien wie LED-Leuchten oder romantischen Kerzen – geben die zu Lichtinstallationen mutierten Skulpturen dem Raum, in dem sie positioniert werden, eine mythische, erotische Aura. Ohne ins Kitschige oder Halbseidene abzugleiten. Im Gegenteil. Die weiblichen Torsi referieren im Sinne einer gewissen Religiosität eine Hymne an die Weiblichkeit. Jenseits des rein Dekorativen und abseits der Zweckmäßigkeit als Lichtquelle mutiert jedes Objekt "durch das Rosten zum Symbol der Vergänglichkeit" , erfährt jedes Opus durch das "innere Leuchten" eine transzendental-philosophische Ebene, "als Synonym der Hoffnung, wider die Endlichkeit" .

Der sakrale Charakter seiner Arbeiten kommt nicht von ungefähr. Ein Drittel der Woche geht der Künstler, "um geerdet zu bleiben" , weiterhin seinem Brotberuf als Restaurator nach. Heilige, Engel, geschnitzt, bemalt, aus Holz, Stein oder Marmor zu bearbeiten schärfen Blick und Fertigkeit für eigene, originäre Werke. Zahlreiche Arbeiten aus Romes Hand finden sich in Kärntner und steirischen Orten und Kirchen wieder. Wobei selbst den Engeln oft subtil eine sinnliche Ausstrahlung innewohnt. Ganz im Sinne der Renaissance, als Engel nicht mehr als kindliche Putti, sondern als juvenile Frauen dargestellt wurden. Unschuldig, jungfräulich, anmutig und rein, dennoch verführerisch bezirzend.

... Kunst im öffentlichen Raum

"Die Zeit in der Werkstatt des Großvaters" – seine Profession war Kunstschmied – "zählt zu den prägenden Momenten meiner Kindheit" , erzählt Rome. Das Schnitzen erlernte er frühzeitig, ebenso den adäquaten, respektvollen Umgang mit natürlichen Materialien. Wie auch die Wertschätzung von Tradition, die er heute, auf seine ganz subjektive Art, verwendet, ehrt und gleichsam diametral konterkariert. Drei Säulen professioneller Kreativität sind bei Helmut Romes Werdegang zu beobachten: natürliche Begabung, frühkindliche, präpubertäre Erfahrung, Begeisterung und Prägung sowie eine fundierte künstlerisch-handwerkliche Ausbildung.

Helmut Rome, ein Spätberufener, eine Entdeckung mit hohem Zukunftspotenzial. Er ist ein stiller Grenzgänger, der es vermeiden möchte, zu viele Worte und allzu viel Aufhebens um sein Schaffen zu machen, lieber seine Werke für sich sprechen lässt, deren Kunst und Schönheit "individuell im Auge des Betrachters liegt" . Sic est! (Gregor Auenhammer, DER STANDARD – Printausgabe, 19./20. November 2011)