Daran, dass "Leistung" auf der Liste meiner persönlichen Unwörter derzeit ganz weit oben steht, sind vor allem die ideologischen Grabenkämpfe schuld, die zum Thema Gesamtschule seit geraumer Zeit in Österreich ausgetragen werden. Warum die ÖVP das Gesamtschulsystem noch immer mehrheitlich doof findet, lässt sich unter anderem im Standard nachlesen.

Dort macht ein Gastkommentar von Bernhard Görg die tief sitzende Angst der ÖVP vor dem Schreck-Gespenst einer gemeinsamen Schule der Sechs- bis Vierzehnjährigen deutlich, durch die die ÖVP nicht nur etablierte schulische, sondern auch gesamtgesellschaftliche Klassen-Trennungen gefährdet sieht: "Stärkere Schüler sind sehr wohl imstande, ihre schwächeren Kameraden mit auf die intellektuelle Reise zu nehmen, aber nur dann, wenn die besseren Schüler deutlich in der Überzahl sind. Je ausgeglichener das Verhältnis, umso zweifelhafter der Lernerfolg von allen."

Für die Beibehaltung des status quo

Wer hier nach ÖVP-Verständnis als "schwächer" oder "besser" zu gelten hat, hängt weniger mit dem Ethos individueller "Leistung" oder Befähigung zusammen, als vielmehr mit der Zweiteilung in "bildungsferne" (arme, "schwächere") und "bildungsnahe" (reiche, "bessere") Bevölkerungsschichten zusammen.

Dass der ÖVP als hauptsächlicher politischer Vertreterin der letzten Gruppe wenig an der Veränderung dieses status quo liegt, erklärt, warum sie sie seit langer Zeit als vehemente Gegnerin der Gesamtschule in Erscheinung tritt. Es mag daher auch wenig verwundern, dass Görg zwar die "besseren Schüler" von einer Nivellierung nach unten durch allzu viele "schwächere Kameraden" gefährdet sieht, sich aber nicht die Mühe macht, auch den Umkehrschluss zu berücksichtigen. Warum auch? Für Schüler aus "bildungsfernen" Schichten, die in den Haupt- bzw. Neuen Mittelschulen deutlich in der Überzahl sind, ist der Zug zur intellektuellen Reise längst abgefahren. (Leser-Kommentar, Maximilian Kral, derStandard.at, 18.11.2011)