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Premierminister Viktor Orbán hat erst kürzlich seinen Rücktritt angekündigt, sollte der IWF nach Budapest zurückkehren.

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Nach eineinhalb Jahren der Ablehnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat das ungarische Wirtschaftsministerium am Donnerstag überraschend angekündigt, mit der Finanzorganisation ein neues Abkommen auszuhandeln. "Wir sind an einem Wendepunkt angekommen", hieß es in dem Kommuniqué des Ressorts. Nachdem man in der Zeit seit dem Amtsantritt der Regierung von Premier Viktor Orbán im vergangenen Juni die ungarische Wirtschaft "erneuert" habe, müsse man sich nun auf das Wachstum konzentrieren. Damit Ungarn ein solches "über die Märkte finanzieren" kann, bedürfe es eines "Abkommens neuen Typs mit dem IWF, welches die Sicherheit der Investoren in Ungarn erhöht".

Die Formulierung der Stellungnahme aus dem Haus des Orbán-Vertrauten und Wirtschaftsministers György Matolcsy täuscht elegant darüber hinweg, dass Ungarn dem finanziellen Absturz ins Auge blickt und mit der Hinwendung zum IWF einen Kanossagang antritt.

Die Ratingagenturen standen zuletzt kurz davor, die Bonität Ungarns auf Ramsch herunterzustufen. Der Forintkurs ging auf Talfahrt. Vor der Ankündigung in Budapest kostete ein Euro fast 318 Forint, das waren um 16 Prozent mehr als noch Anfang September.

Zudem waren in den vergangenen Wochen mehrere Anleihenauktionen gescheitert. Am Donnerstag glückte die Platzierung mehrerer Anleihen, allerdings musste Ungarn seinen Investoren 8,38 (für dreijährige Papiere) beziehungsweise 8,68 Zinsen (für fünfjährige) bezahlen. Zudem drohten sämtliche Berechnungen für den Haushalt 2012 über den Haufen geworfen zu werden.

Nach der Ankündigung am Donnerstag erholte sich der Forint. Für einen Euro waren nur noch 308 Forint zu bezahlen.

Was auch immer für ein IWF-Abkommen Budapest jetzt anstrebt, die Finanzorganisation wird, um das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen, Schritte diktieren müssen, die der bisherigen Wirtschaftspolitik der Regierung Orbán diametral entgegenstehen. Beobachter stellen sich deshalb die Frage nach der politischen Zukunft Matolcsys. Und auch nach jene seines Regierungschefs: Einem Bericht der Tageszeitung Népszabadság zufolge soll der rechtspopulistische Regierungschef neulich im engen Kreis gesagt haben: "Wenn der IWF kommt, bin ich weg."

Die ungarische Regierung hatte mit einer Reihe von umstrittenen Maßnahmen das Vertrauen der Investoren verloren. Besonders umstritten war die Einführung einer Sondersteuer für Banken, Telekommunikationsunternehmen und Einzelhandelsketten. Auch die Möglichkeit, Fremdwährungskredite weit unter dem Marktwert einzutauschen, hat Banken verärgert. Allerdings: Unzweifelhaft ist, dass Ungarn unter der Masse an Devisendarlehen gelitten hat und das Problem angegangen werden musste. Das sehen auch IWF und die Osteuropabank EBRD so.

Unklar ist bisher, in welcher Form der Währungsfonds nach Budapest zurückkehren wird. Wirtschaftsminister Matolcsy bekräftigte, dass Ungarn keinen Sofortkredit des Fonds brauche, sondern vielmehr eine Kreditlinie anstrebt.

Der Währungsfonds bietet derzeit mehrere solcher Kreditlinien an. Darunter zum Beispiel die Flexible Credit Line (FCL), die Polen seit Ausbruch der Krise nutzt. Derzeit kann Warschau im Bedarfsfall auf Gelder im Höhe von 30 Milliarden Dollar (ca. 22 Milliarden Euro) beim Währungsfonds zugreifen. Bisher hat Polen auf das Geld nicht zurückgegriffen. Ob Ungarn in den Genuss so einer Vereinbarung kommt ist fraglich, der IWF gesteht solche Kredite nur seinen Musterschülern zu. (Gregor Mayer aus Budapest, András Szigetvari, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 18.11.2011)