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Es gibt gute und schlechter Sachwalter. Ziel ist ein selbstbestimmtes Leben.

Foto: APA/Pleul

60.000 Menschen dürfen in Österreich Entscheidungen nicht selbst treffen - sie haben einen Sachwalter oder eine Sachwalterin. Das widerspricht (teilweise) der UN-Menschenrechtskonvention. 

Der "Unabhängige Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung" (monitoringausschuss.at) hat bei seiner öffentlichen Sitzung am Donnerstag das Thema aufgegriffen und Alternativen diskutiert.

Selbstbestimmung ist Menschenrecht

"Eine persönliche Assistenz würde viele Sachwalterschaften überflüssig machen oder zumindest die Zahl dramatisch reduzieren", sagt Marianne Schulze, Vorsitzende des Monitoring-Ausschusses im Gespräch mit derStandard.at. 

Die Funktion des Sachwalters können Angehörige, aber auch Sachwaltervereine oder ein juristischer Vormund erfüllen. Die UN-Menschenrechtskonvention besagt, dass "alle Menschen das Recht haben selbst zu entscheiden". Ein Sachwalter soll helfen Entscheidungen zu treffen. Die Praxis sieht oft anders aus, berichten Menschen mit Lernschwierigkeiten bei der öffentlichen Sitzung über die Probleme. Es gebe gute und schlechte Erfahrungen, das Ziel sei in jedem Fall aber ein selbstbestimmtes Leben. Die Auswahl der Sachwalter sei problematisch, viele trauen sich nicht ihren Eltern oder Geschwistern zu widersprechen. Sie seien von der Angst beherrscht, dass ihnen sonst niemand mehr helfe. Entscheidungen sollen mit ihnen und nicht über sie getroffen werden.

Alternativmodell Unterstützungskreise

Der Kanadier Michael Bach stellt in Wien ein Alternativmodell zur Sachwalterschaft vor. Er ist Leiter der Canadian Association for Community Living, dem Äquivalent zur österreichischen Lebenshilfe. "Der Großteil weiß, was er will", sagt Bach gegenüber derStandard.at. Die betroffenen Menschen brauchen Assistenz und Hilfe, dafür müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. In Schweden und in Teilen Kanadas, etwa in British Columbia, gibt es diese Unterstützungspersonen. Betroffene können sie sich selbst aussuchen, diese Aufgaben können sich auch mehrere Menschen teilen, dann sind es Unterstützungskreise. Die Unterstützungspersonen begleiten sie bei der Wohnungssuche, den Mietvertrag unterschreiben dürfen sie aber nicht. Eine Einschränkung gibt es, die laut Bach umstritten ist: Die Unterstützungspersonen können Einspruch erheben, wenn sie das Gefühl haben, ihr Schützling habe falsche Entscheidungen getroffen - dann ist wieder ein Sachwalter am Zug.

Auch Marianne Schulze kann sich das Modell der Unterstützungskreise für Österreich gut vorstellen. Doch dazu müssten erst soziale Barrieren überwunden werden, ein inklusives Bildungssystem wäre eine Maßnahme. "Es braucht eine Gesellschaft, wo ein selbstverständlicher Umgang mit Behinderten gelebt wird." Ziel sei es, die Selbstbestimmung zu maximieren. (mte, derStandard.at, 17.11.2011)