Machte Wien happy: Herr Tomtschek.

Foto: H.A.P.P.Y

Wien - Neben vielen unvergesslichen Nächten für die Partymenschen Wiens hat Thomas Seidl eines geschaffen: Er erinnerte sein Publikum daran, dass man nicht erwachsen wird, um kein Kind mehr zu sein. Als liebevoll Herr Tomtschek gerufener Veranstalter zeigte er in seinem H.A.P.P. Y-Club, dass er Spaß, Botschaft, House- und Easy-Listening-Musik lust- und geistvoll verbinden konnte.

Tomtschek richtete nicht bloß Partys aus, er inszenierte "Happynings", für die er als zärtlicher Diktator einen ergebenen Freundeskreis dazu brachte, ihm bei der Verwirklichung seiner Fantasien zur Hand zu gehen. Die Umsetzung durfte ruhig popelig sein, sie verlieh den Themen ihren Charme: Dem "Festival des volkstümlichen Ausdruckstanzes" ebenso wie dem "Club Ekstase" - mit einem russischen Elvis als Stargast, der unter starkem Schamhaarbefall litt.

Dieser so kindische wie schlaue Humor sprach alle an. Tomtscheks H.A.P. P.Y erreichte Schwule, Lesben und Heteros gleichermaßen. Alle wollten Zeugen bei seiner "Verwirklichung bescheuerter Projekte" sein, und davon gab es reichlich.

Geboren wurde Thomas Seidl 1968 in Niederösterreich. 1993 begann er die H.A.P.P.Y-Partyreihe im Szenelokal Blue Box, in dem er damals als Kellner gearbeitet hatte. Es war die Zeit, in der in Wien im Zuge der Techno-Revolution die entsprechenden Partys erfunden wurden. Der Zuspruch für Tomtscheks donnerstägliche Veranstaltung sprengte bald die Möglichkeiten der Blue Box, also wanderte der Club ins Wuk, wo er an Wochenenden regelmäßig über tausend Besucher anlockte.

Während sich andere Veranstaltungen kommerziell bereitwillig ausschlachten ließen, blieb das H.A.P.P.Y ein familiäres Ereignis mit menschenfreundlicher Preispolitik.

H.A.P.P.Y-Universum

Tomtschek expandierte auf andere Art: Mit Freundinnen und Freunden errichtete er Stück um Stück ein richtiges H.A.P.P.Y-Universum. Er veröffentlichte die interaktive H.A.P.P.Y Gazetti; bei TIV, dem Vorgänger von GOTV, präsentierte er Ende der 1990er-Jahre wöchentlich eine Stunde durchgeknalltes H.A.P.P.Y-TV, im Fasching bot er mit dem Mauerblümchenball jährlich eine Gegenveranstaltung zum Opernball.

Der höfliche Überzeugungstäter verwirklichte zwei Spielfilme, veröffentlichte das Buch Haare am Popo, Yeah! drehte die Telenovela Felicidat! Dornenwege zum Glück oder realisierte Steffi - ein Musical über eine Wurstfabrikantentochter, die Tennisprofi werden möchte.

2008 folgte ein weiteres für das Donaufestival: Lagerhouse - Zwei Leben zwischen Cola und Crack, über einen Modeschöpfer (Lagerfeld) und seine abgewrackte Muse (Winehouse). Heuer initiierte er während des Hernalser Bezirksfestivals das "Kuchenloch" - seine Version einer urbanen Guerilla-Gastronomie - und die Seifenoper S.O.A.P.

Fast zwei Jahrzehnte lang bereicherte Tomtschek die Bundeshauptstadt mit seinen Aktionen. Er lebte Offenheit vor, ohne sie eitel zu predigen. Er war nett, ohne den dieses Prädikat oft begleitenden Beigeschmack der Belanglosigkeit. Sein Humor funktionierte auf Augenhöhe, war im besten Sinn des Wortes gleichmacherisch - ohne die Unterschiede zu übersehen.

Nun ist Thomas Seidl, der Herr Tomtschek, während eines Urlaubs bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er wurde 43 Jahre alt.  (Karl Fluch  / DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2011)