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Allegorische Darstellung der Begriffe Stillstand, Hoffnungslosigkeit und Novemberdepression.

Foto: AP/Zak

In der Vorwoche hatte der amerikanische Film "I'm still here" seine Österreich-Premiere. Er zeigt im authentisch wirkenden Doku-Stil den Niedergang und Verfall des Schauspielers Joaquin Phoenix, was von einigen Filmkritikern zunächst als "voyeuristisch" und "menschenverachtend" gegeißelt wurde. Doch schließlich stellte sich heraus, dass der Streifen eine "Mockumentary" ist – eine fiktionale Dokumentation, die Realitätsgehalt nur vortäuscht. Dieses Genre funktioniert, weil Rezipienten die Unterscheidung zwischen der Wirklichkeit und ihrer satirischen Überhöhung immer schwerer gemacht wird.

Auch die STANDARD-Leserinnen und -Leser wurden diesbezüglich just an den beiden Tagen vor dem Kinostart von "I'm still here" auf die Probe gestellt. Am Mittwoch zierte ein Foto die Titelseite, das man nur als "extremes Bedrohungsszenario" bezeichnen kann. Darauf zu sehen waren Werner Faymann und Fritz Neugebauer, die Fähnchen mit der Aufschrift "Wir sind die Zukunft" in Händen halten. Der Bundeskanzler zeigt anstelle seines gewohnt ausdruckslosen Lächelns eine mimische Mischung aus Ratlosigkeit, Überforderung und völliger innerer Leere, während der neben ihm sitzende Neugebauer an den außerirdischen Schurken Jabba the Hutt aus Star Wars erinnert. Das Bild wirkt wie eine allegorische Darstellung der Begriffe Stillstand, Hoffnungslosigkeit und Novemberdepression und ist als Sinnbild der großkoalitionären Lähmung besonders unheimlich, da Neugebauer sich derzeit medial als wahrer Machthaber in der ÖVP zu präsentieren weiß, was für diese Partei vermutlich eine schlimmere Imagekatastrophe als Telekom und Tetron zusammen darstellt.

Doch mit dem Titelbild des nächsten Tages wurde die Entsetzen generierende Dosis noch erhöht. Man sieht darauf einen schallend lachenden Michael Häupl, der einem mindestens ebenso amüsierten Alfons Mensdorff-Pouilly einen Blumenstrauß überreicht, was die in einem Festsaal des Wiener Rathauses versammelte, vorwiegend aus Herren zusammengesetzte Runde (unter ihnen Erhard Busek) grenzenlos zu erheitern scheint. Der Waffenlobbyist, dem die Verwicklung in unzählige Korruptionsskandale vorgeworfen wird, in dessen Umfeld nach Schmiergeld gesucht und Bestechung vermutet wird und ein Jagdunfall Rätsel aufgab und der von sich sagt, er habe beim Eurofighter-Ankauf mittels "aggressiver Zahlungen an wichtige Entscheidungsträger Druck ausgeübt", als Mittelpunkt offizieller gesellschaftlicher Allotria?

Nein, das kann nicht stimmen. Vor allem Busek, aber vermutlich auch Häupl gelten als im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, ein derartiges Gemeinmachen mit Symbolfiguren moralischer Verkommenheit würden sie nie zulassen. Das ist einfach zu übertrieben, hier wurde der Bogen überspannt.

Ganz klar also, dass es sich bei dem Foto, so wie bei jenem vom Vortag, um ein "Mockument" handelt, mit dem der STANDARD nicht nur vor Niedergang und Verfall der Republik warnen wollte, sondern unterschwellig für "I'm still here" geworben hat. Beide Bilder können als Umsetzung des Titels "Ich bin noch immer da" verstanden werden. Bei Faymann ist diese Deutung besorgniserregend, bei Neugebauer deprimierend und im Falle von Mensdorff-Pouilly fassungslos machend. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2011)