"Wenn ein Spieler meint, er kann bei einem anderen Klub so und so viel Geld verdienen, sage ich ihm: wenn Du so viel verdienen willst, musst Du auch dort hingehen."

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Aus dem derStandard.at-Fundus: Parits als Neusiedl-Trainer im Panini-Album zur Österreichischen Bundesliga 1983.

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Wien - Der Club 1911 lud ins Wiener Museumsquartier, um mit Thomas Parits, seines Zeichens Vorstand der Wiener Austria, zu diskutieren. Für derStandard.at hat Philip Bauer mitgesprochen.

derStandard.at: Sie tragen in der Öffentlichkeit den inoffiziellen Titel "Sir". Sehen Sie sich auch als solchen? Lässt das Geschäft dies überhaupt zu?

Parits: Ich hatte in dieser Saison eine mündliche Zusage für einen Transfer von Daniel Royer von seinem Manager Jürgen Werner zur Austria. Aber Ried hat nicht Wort gehalten und den Spieler nicht zu uns gehen lassen. Wenn man sich auf ein Wort verlässt, ist man auch in diesem Geschäft verlassen. So hätte ich nicht gehandelt.

derStandard.at: Im Endeffekt wechselte er zu Hannover. Auch nicht schlecht, oder?

Parits: Royer hat in Hannover einen tollen Vertrag. Dieses Geld hätte er bei uns nie verdienen können. Die Kehrseite: er spielt nicht mehr. Ich glaube, das war keine gute Entscheidung. Bei der Austria hätte er sich wohl besser entwickelt. In Deutschland gibt es in jedem Kader 25 gleichwertige Spieler, dort muss man sich erst einmal durchsetzen.

derStandard.at: Auch Ihre Spieler drängen ins Ausland. Was wird sich demnächst tun?

Parits: Florian Klein will ins Ausland gehen. Zlatko Junuzovic wohl ebenso. Diese Spieler sind nicht bereit zu verlängern. Wenn es im Winter also eine Transfer-Möglichkeit gibt, sind wir bereit diese zu nutzen. Das bedeutet aber auch, dass wir uns nach anderen Spielern umsehen müssen. Manche Spieler sind nicht zufrieden, ein Marin Leovac kommt derzeit zum Beispiel nicht an Markus Suttner vorbei. Wir wollen alle halten, aber zu einem Vertrag gehören immer zwei.

derStandard.at: Warum ist Junuzovic eigentlich noch da?

Parits: Sein Pech war, dass er im Frühjahr, als er intensiv von internationalen Scouts beobachtet wurde, ein Formtief hatte.

derStandard.at: Dare Vršič von Olimpija Ljubljana war im Sommer ein großes Thema. Ist er bei einem Abgang von Junuzovic nach wie vor ein Kandidat? 

Parits: Ich bin mit Milenko Acimovic wegen ihm in Kontakt. Wenn es eine finanziell machbare Lösung gibt, ist er für uns sehr interessant. Im Sommer haben die Slowenen noch auf eine EM-Teilnahme gehofft, um Vršič in die Auslage zu stellen. Das hat die Verhandlungen erschwert.

derStandard.at: Wie flexibel sind die Finanzen der Austria?

Parits: Wenn ein Spieler meint, er kann bei einem anderen Klub so und so viel Geld verdienen, sage ich ihm: wenn Du so viel verdienen willst, musst Du auch dort hingehen. Junuzovic hat einen langfristigen Vertrag bei Red Bull Salzburg abgelehnt, weil die sportliche Perspektive für ihn wichtiger war. Hut ab, das machen nicht viele Spieler. Er hat sogar damals in Kärnten mehr verdient, ich habe ihm aber gleich gesagt, dass die Austria solche Summen nicht bezahlen kann. Unser Kader ist relativ billig, wir haben viele Spieler ohne große Vergangenheit geholt.

derStandard.at: Die Marke "Österreichischer Fußball" hat nicht den besten Ruf. Schlecht für das Export-Geschäft?

Parits: Es schmälert natürlich die Transfererlöse. Wenn sich aber Julian Baumgartlinger oder Aleksandar Dragovic im Ausland durchsetzen, wertet das unsere Spieler generell auf. Bei diesen beiden Transfers war vor allem eines auffällig: die Vereine wollten die Spieler unbedingt. Basel wusste natürlich, dass Dragovic in wenigen Monaten ablösefrei gewesen wäre. Umso mehr haben sie sich um ihn bemüht, damit er nicht später Angebote von anderen Vereinen bekommt. Auch Mainz-Trainer Thomas Tuchel hat sich für Baumgartlinger stark gemacht. 

derStandard.at: Ablösesummen sind also kein Hindernis für einen Transfer?

Parits: Nein, wenn Dich ein Verein wirklich will, ist er auch bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Die Austria fordert keine absurden Ablösesummen. Deshalb verstehe ich auch das Vorgehen von Klein und Junuzovic nicht. Sie denken, die Ablöse wäre die einzige Hürde für einen Transfer. Das ist ein Irrtum. Vielleicht kommt der Spieler leichter weg, aber dann ist er die Nummer 24 im Kader. 

derStandard.at: Die Austria hat sich sehr um Fabian Koch bemüht. Richtig durchsetzen konnte er sich in Wien bisher nicht. Enttäuscht?

Parits: Wir wollten Koch unbedingt haben, konnten uns aber finanziell lange Zeit nicht mit Innsbruck einigen. In der Zwischenzeit war Klein unsere Notlösung, der hat sich sehr gut entwickelt und seinen Platz eingenommen. Koch ist natürlich unzufrieden, trainiert aber sehr gut. Ich bin überzeugt, dass er seinen Weg in die Kampfmannschaft finden wird. Seine Stunde schlägt spätestens, wenn Klein geht.

derStandard.at: Die wohl heißeste Aktie des Vereins heißt Nacer Barazite. Wie kommt man überhaupt an einen Spieler seiner Klasse?

Parits: Jürgen Werner hat mich angerufen und gemeint, er hätte einen Spieler, der perfekt zu uns passen würde. Ich habe mir seine Daten im Internet angesehen und ihn ins Trainingslager in der Türkei eingeladen. Schon im ersten Training war zu sehen, dass er sehr gut ist. Zum Glück habe ich mit seinem Manager vor dem ersten Testspiel die Konditionen ausgehandelt, denn gegen Dinamo Bukarest traf er gleich zwei Mal

derStandard.at: Hat Barazite eine Ausstiegsklausel im Vertrag?

Parits: Nein. Sein Vertrag läuft bis 2013, wir haben eine vereinsseitige Option bis 2014. Er und sein Manager sind vernünftige Menschen, Barazite fühlt sich wohl und kann sich bei uns weiterentwickeln. Ich habe seinem Manager auch angedeutet, dass wir jederzeit bereit sind, den Vertrag zu verlängern. Aber trotz allem: Wenn ein Überdrüber-Angebot kommt, wird es nicht einfach, den Spieler zu halten. 

derStandard.at: Kann man als Sportdirektor in einer schnelllebigen Branche überhaupt langfristig planen oder ist man mehr damit beschäftigt Löcher zu stopfen?

Parits: Vieles ist absehbar, der Abgang von Dragovic zum Beispiel. Also haben wir rechtzeitig Georg Margreitter geholt. Auch der Wechsel von Baumgartlinger kam nicht ganz überraschend. Deshalb haben wir uns rechtzeitig um Alexander Grünwald und Florian Mader bemüht. Genauso habe ich jetzt Koch für Klein in der Hinterhand und muss zusätzlich noch einen Backup für Koch holen. Wir planen schon im Voraus. 

derStandard.at: Der nach Ried verliehene Lukas Rotpuller entwickelt sich sehr gut. Ist er eine Option für die Zukunft?

Parits: Rotpuller kam bei den Amateuren unter Vastic nicht zum Spielen. Ried hat eine Option, wenn sie den Spieler also wollen, wird er den Verein wechseln. Dann bekommen wir aber noch immer gutes Geld. Ried hätte ihn sonst nicht genommen, wir wollten ihm seine Karriere nicht verbauen.

derStandard.at: Kaja Rogulj wurde eben am Rücken operiert. Man wusste bereits vor seiner Verpflichtung, dass er verletzungsanfällig ist. Muss man manchmal ein Risiko eingehen?

Parits: Ein Verletzungsrisiko hat man doch bei jedem Spieler. Rogulj ist ein sehr guter Innenverteidiger, den wir ablösefrei verpflichten konnten. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge sollte er im Jänner wieder ins Training einsteigen.

derStandard.at: Sie hatten im Training zuletzt vier Spieler aus Costa Rica zu Gast. Konnten sie weiteres Interesse erwecken?

Parits: Ich habe den Spielern zu Beginn mitgeteilt, dass wir nicht sofort eine Entscheidung fällen können. Ein Spieler ist sicher nicht uninteressant, er hat die Qualität, spielt in Costa Ricas Nachwuchs-Auswahl. Vielleicht werden wir ihn im Jänner ins Trainingslager mitnehmen. Ob wir ihn verpflichten, hängt aber auch von den finanziellen Konditionen ab.

derStandard.at: Junge Spieler mit großem Potenzial verpflichten, lautet so auch die Zukunft des Vereins?

Parits: Wir sind in dieser Hinsicht eine gute Adresse, weil wir in den letzten Jahren immer international vertreten waren. So können sich Spieler präsentieren. Große Klubs haben eine enormes Reservoir an Spielern und wollen, dass diese Erfahrung sammeln. Diese Möglichkeit können wir ihnen bieten.

derStandard.at: Haben Sie derzeit welche an der Angel?

Parits: Ich bin in Verhandlungen mit einem sehr großen Klub. Es geht um eine Kooperation bezüglich jungen Spielern. Da könnte uns ähnliches gelingen wie mit Barazite. Ich flieg am Ende des Monats... (Pause) ...in das Land und sehe mir die Spieler genau an.

derStandard.at: In welches Land geht der Flieger? Richtung einer der Top-Vier-Ligen?

Parits: Man muss vorsichtig sein. Darüber reden wir besser, wenn die Tinte trocken ist. Aber ja, es ist eine der Top-Ligen.

derStandard.at: Alexander Jovanovic aus dem Nachwuchs absolvierte zuletzt ein Probetraining in Wolfsburg. Wie kann verhindert werden, dass die besten Talente der eigenen Akademie abgefischt werden? 

Parits: Mit Dragovic und David Alaba und haben wir zwei Spieler herausgebracht, die in Europa auffallen. Erst kürzlich hat mir jemand erzählt, dass Dragovic in der Champions-League-Partie zwischen Benfica und Basel der beste Mann am Platz war. Das weckt natürlich internationales Interesse. Jovanovic ist ein bisschen unzufrieden bei uns, weil er nicht spielt. Er ist technisch gut, aber vielleicht überschätzt er sich auch, jedenfalls werden wir jedem Spieler ein Probetraining in Deutschland ermöglichen.

derStandard.at: Nimmt man die Abgänge der Akademie als Teil des Geschäftsmodells gerne in Kauf?

Parits: Wir haben dieses Jahr drei Spieler verkauft: U17-Nationaltormann Daniel Bachmann ist zu Stoke City gewechselt, Francesco Lovric spielt nun für den VfB Stuttgart und Florian Heinrich für den FC Schalke 04. Für jeden dieser Spieler erhält der Verein eine fix geregelte Ablösesumme. Stoßen sie bis in die Kampfmannschaft vor, bekommen wir mehr Geld. Die Akademie kostet rund eine Million pro Jahr, dieses Geld müssen wir irgendwo hereinbekommen.

derStandard.at: Mit welchen Argumenten könnte man den Nachwuchsspielern einen Verbleib schmackhaft machen?

Parits: Ich habe mit Alaba fünf Mal verhandelt, aber dann hat ihn Uli Hoeneß in München persönlich begrüßt und ihm das Trainingsgelände gezeigt. Danach haben wir keine Verhandlungen mehr geführt, er war nicht mehr zu halten.

derStandard.at: Verhandeln Sie Verträge auch mit Spielern oder nur noch mit Managern?

Parits: Ich habe kürzlich einen Vertrag mit Martin Harrer von den Amateuren verlängert. Ein technisch starker Spieler, so wie wir ihn wollen. Ich dachte, er hätte keinen Manager, das war ein Irrtum. Mittlerweile hat schon jeder Spieler in der Akademie einen. Ich sage den Jungspielern aber immer: egal ob Du mit Manager kommst oder nicht, die Konditionen bleiben dieselben. Ich denke nicht, dass jeder 16-Jährige unbedingt einen Manager braucht.

derStandard.at: Wie intensiv verläuft ihre Zusammenarbeit mit den Trainern der Akademie?

Parits: Wir beobachten unsere Spieler alle sehr konzentriert und besprechen regelmäßig ihre Stärken und Schwächen. Die zentrale Frage lautet: Hat der Spieler Fähigkeiten, um der Kampfmannschaft zu helfen? Wenn ja, kann er mit der Ersten trainieren. Jeder Spieler in der Akademie weiß mittlerweile, dass er sich seine faire Chance verdienen kann. Wir haben Alaba als 15-Jährigen ins Trainingslager nach Marbella mitgenommen. Er hat dort in einem Testspiel gegen Young Boys Bern sofort Scouts aufmerksam gemacht. Leider habe ich ihn vorher keinen Vertrag unterschreiben lassen, das war ein Fehler.

derStandard.at: Als Sportdirektor stehen Sie im Spannungsfeld zwischen sportlichem und finanziellen Erfolg. Wäre die Austria in der Vorsaison mit Dragovic Meister geworden?

Parits: Möglich, aber eine rein hypothetische Frage. Seit der Loslösung von Frank Stronach arbeiten wir unter anderen Bedingungen. Der finanzielle Rahmen ist kleiner, das hat unsere Philosophie verändert: wir fördern nun junge österreichische Spieler. Zehn aktuelle Spieler kommen aus der Akademie, manchmal muss man sich aber auch von einem verabschieden. Das ist unser Weg.

derStandard.at: Sie arbeiten seit fünf Jahren bei der Austria. Gab es Personalentscheidungen, die Sie aus heutiger Sicht anders treffen würden?

Parits: Nein. Dass einzelne Spieler hinter den Erwartungen zurückbleiben, ist nicht zu verhindern. Für manche Spieler ist der Wechsel zur Austria nicht einfach. Der Druck und die Konkurrenz sind groß. Und natürlich ist es nicht angenehm, nach einer Woche Training auf der Tribüne Platz zu nehmen. Präsident Katzian meinte einst, er wäre angesichts der Rahmenbedingungen nach Stronach mit einem Platz im gesicherten Mittelfeld zufrieden. Wir spielen immer im Spitzenfeld mit. Ich glaube wir haben in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet, uns fehlt nur noch der Meistertitel. (derStandard.at; 17. November 2011)