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Infektionen können von einer Region in eine andere wandern.

Foto: APA/EPA/MANFRED ROHDE / HZI HANDOUT

Wien - Weltweit gibt es 214 Millionen Migranten. Rund 8,8 Prozent der Bevölkerung in den EU-Staaten haben einen Migrationshintergrund, in Österreich sind es 15 Prozent. Diese Zahlen nannte Herwig Kollaritsch vom Institut für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin bei einem Symposium in Wien zur Frage "Migration - epidemiologische und medizinische Aspekte", um die Bedeutung des Themas zu untermauern. Denn, so sagte der Rektor der MedUni Wien, Wolfgang Schütz, das Thema sei erst spät einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich geworden.

Auch Infektionen können migrieren

Migration und die damit verbundenen medizinischen Herausforderungen werden in den nächsten Jahren immer zentralere Bereiche in den Überlegungen der Experten einnehmen. Der Tropenmediziner betonte, dass auch Infektionen migrieren können, und brachte Beispiele. SARS bedingte 2003 eine Epidemie, die etwa sieben Monate dauerte und mit 5.327 Fällen sowie 349 Toten ihren Schwerpunkt in China hatte. Aber es gab auch in Kanada 438 Fälle mit 44 Todesfällen. Laut Kollaritsch sei die Infektion fast ausschließlich über Personen mit Migrationshintergrund eingeschleppt worden.

Chikungunya-Fieber durch asiatische Tigermücke

Ein Beispiel für die Ausbreitung von Krankheiten über die Überträger ist das Chikungunya-Fieber, eine Infektionskrankheit, die vor allem in Asien und Afrika vorkommt. Denn die Asiatische Tigermücke, über die einer der Hauptübertragungswege auf den Menschen funktioniert, breitet sich mittlerweile auch in Europa aus. 2006 wurde Kollaritsch zufolge aus der Gegend von Ravenna das Auftreten einer autochtonen lokalen Epidemie des Chikungunya-Fiebers mit rund 320 Fällen gemeldet. Auch beim Dengue-Fieber gab es bereits autochtone Fälle in Europa: in Südfrankreich bei Nizza sowie in Kroatien.

Menschen, die Freunde besuchen als Höchstrisikogruppe

Wenn es um Reisen geht, haben sogenannte VFR (Visiting Friends and Relatives) das größte Risiko, sich Krankheiten im Ausland einzuhandeln, sagte der in Deutschland tätige Mediziner Martin Haditsch. Bei VFR handelt es sich um Touristen, die in ein Land reisen, um Freunde oder die zurückgebliebene Familie zu besuchen. "Reisemedizinisch ist das die Höchstrisikogruppe." Denn die Aufenthaltsdauer sei überdurchschnittlich lang, die Urlaubsgestaltung eine andere als beim Durchschnittstouristen und die Gefahren werden oft unterschätzt.

Beispiel Malaria: Die relative Immunität von im betroffenen Gebiet lebenden Personen schwindet nach wenigen Monaten. VFR-Reisende sagen sich aber: "Das habe ich früher oft gehabt, kein Problem." Oder es kommt zu Fehleinschätzungen, wenn man beispielsweise über einen relativ neuen Tollwutausbruch nicht informiert ist. VFR-Reisende hätten daher wie Asylwerber, Flüchtlinge und Migranten besondere Betreuung und Aufwand verdient, sagte Haditsch. Der Knackpunkt sei aber die Kontaktaufnahme.

Tuberkulose in Osteuropa häufiger

Migration spielt auch im Kampf gegen Tuberkulose eine bedeutende Rolle. Denn nicht nur die Erkrankungsrate ist in Österreich mit weniger als zehn Fällen pro 100.000 Einwohner deutlich niedriger als beispielsweise in Osteuropa, sagte Stefan Winkler von der Abteilung für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin der Universitätsklinik für Innere Medizin I in Wien. Sondern es treten auch schwerer behandelbare Fälle auf - sogenannte MDR. Die Tuberkulose-Bakterien sind multiresistent. Sogar XDR-Fälle - extensiv resistente Bakterien - und gegen alles resistente XXDR sind bereits aufgetaucht.

MDR-Fälle wurden vor allem in Südafrika, Russland, der Ukraine und Weißrussland registriert. Auch in Wien gab es bereits knapp 150 MDR-Patienten, die meisten kamen aus Tschetschenien. Es wurde Winkler zufolge aber auch eine steigende Anzahl aus Rumänien registriert. Multiresistenzen bilden sich dem Mediziner zufolge in erster Linie durch unzureichende oder zu früh abgebrochene Therapien heraus. Die MDR-Therapie sei aber im Grunde genommen "eine Katastrophe" mit wesentlich geringeren Aussichten auf Erfolg. Und sie ist auch wesentlich teurer: Kostet eine normale Tuberkulose-Therapie für die gesamte Dauer - in der Regel sechs Monate - rund 200 Euro, sind bei MDR-Patienten auch 200 Euro zu veranschlagen, das aber pro Tag bei einer Dauer von zwölf bis 18 Monaten. (APA)