Inhalte des ballesterer Nr. 67 (Dezember 2011) - Ab 16.11. im Zeitschriftenhandel!

SCHWERPUNKT: ABGESTÜRZTE DORFVEREINE

SELBSTMORD
Das fatale Erste-Liga-Abenteuer des SV Bad Aussee

STERNE DES SÜDENS
Kärntens zerplatzte Träume von der Bundesliga

SPORTGRAB KLAGENFURT
Die unendliche Verlustgeschichte des Stadions am Wörthersee

Außerdem im neuen ballesterer:

ÜBERBIETEN UND STRAFEN
Ein Anstoß zur deutschen Gewaltdebatte

CHARMANTES WIEN
Hohe Warte und Sportclub-Platz durch die Linse von Reinaldo Coddou

»ULTRAS VERDIENEN EINE EIGENE GESCHICHTE«
Kai Tippmann liefert mit »Streunende Hunde« eine neue Ultraliteratur-Übersetzung

INTELLEKTUELLER AUSSTEIGER
Die Profikarriere von Thomas Broich als Film

NUR WER VERGESSEN WIRD, IST WIRKLICH TOT
Trauer- und Gedenkrituale in den Fankurven

BESCHIMPFT UND VERGESSEN
Die Diskriminierung der Roma macht auch vorm Fußball nicht halt

IN DER PARISER VORSTADT
Red-Star-Fans kennen Vereinserfolge nur aus Erzählungen

EDELWEISS IN KASACHSTAN
Frauenmeister SV Neulengbach auf Champions-League-Tour

BILLIGE ELITE
Die Premier League will Jungkicker günstiger abwerben

KLEINKRIEG IM SCHREBERGARTEN
Die Befreiung von 98 verschossenen Sportklub-Trainingsbällen

»WIR RUFEN DIE SCHWEIZ«
Zündler am Pranger des Boulevard

GROUNDHOPPING
Matchberichte aus Antigua & Barbuda, Albanien, den Niederlanden und der Slowakei

DR. PENNWIESERS NOTFALLAMBULANZ
Der Weisheitszahn

KUMPS FANTHROPOLOGIE
San Siro am Attersee

Cover: Ballesterer
Foto: Bernhard Stadlbauer
Foto: Bernhard Stadlbauer

ballesterer: Sie sind seit 2010 Präsident des FC Pasching. Warum haben Sie sich das angetan?
Helmut Nussbaumer: Nach dem Rückzug von Franz Grad hat sich niemand anderer gefunden. Ich war 20 Jahre lang Trainer, unter anderem auch in Pasching. Der Fußball ist für mich wie ein Virus. Und der Verein ist nach wie vor eine Marke. Ich sehe in Pasching immer noch die Perspektive, etwas zu bewegen. Vor allem im Nachwuchs wird sehr professionell gearbeitet. Wir haben vier Plätze, jedes Team hat zwei Trainer und einen Teambetreuer. In ein paar Jahren brauchen diese Talente eine Plattform, am besten in der Regionalliga.

Pasching hatte im Herbst durchschnittlich 142 Zuschauer. Zahlt sich dafür ein Regionalligabetrieb aus?
Nussbaumer: Das ist natürlich zu hinterfragen. Wir haben heuer sehr stark auf die eigene Jugend gesetzt, und es kommen trotzdem nicht mehr Leute. Ich sehe die Gründe vor allem darin, dass viele aus den alten Fanklubs auf den Klub beleidigt sind, weil der Profibetrieb eingestellt und die Lizenz nach Kärnten verkauft worden ist. Es gibt da eine Art Gegenbewegung. Beim letzten Spiel unserer 1B-Mannschaft in der Bezirksliga hatten wir genauso viele Zuschauer wie die Regionalligamannschaft. Aber nach sieben Heimspielen werde ich die Flinte noch nicht ins Korn werfen. Sollte das Interesse nicht größer werden, müssen wir einen Schritt nach unten machen. Wenn aber ein Großsponsor an mich herantritt, können wir den Betrieb jederzeit wieder in die Höhe fahren.

Wie schafft es ein Klub wie Pasching, ausgeglichen zu bilanzieren?
Nussbaumer: Das ist die große Frage bei jedem Klub. (lacht) Fußball ist eine Risikosportart, es kann dir immer ein Sponsor umfallen. Aber wir haben unsere Kosten stark reduziert und als einer von wenigen Klubs ein höheres Budget für den Nachwuchs als für den Erwachsenenfußball. Aktuell fließen etwa 180.000 Euro in die beiden Kampfmannschaften und 220.000 Euro in den Nachwuchs.

Die Liste der österreichischen Provinzklubs, die sich im Profifußball übernommen haben, wird immer länger. Worin sehen Sie die Gründe für diese Kurzlebigkeit?
Nussbaumer: Die Lizenzbestimmungen der Bundesliga sind mit großen Kosten verbunden. Die öffentliche Hand kann nicht alles decken. So sind die Vereine mit hohen Ausgaben für die Infrastruktur und das Personal konfrontiert. Im ersten Jahr klappt das meist noch, aber danach wird es schwierig. Vielen Vereinen fehlt der Mut, in den Amateurfußball zurückzugehen. Was ich verstehe, wenn sie sportlich gesehen mithalten können.

Was sind die Kardinalfehler, auch aus Ihrer eigenen Erfahrung?
Nussbaumer: Ich kann da eigentlich nur über Schwanenstadt reden. Als ich in Vöcklabruck eingesprungen bin, war der Karren schon so verfahren, dass der Präsident mich engagiert hat, um das Ding in halbwegs geordneten Bahnen zu Ende zu bringen. Der FC Vöcklabruck ist durch Misswirtschaft an die Wand gefahren worden. In Schwanenstadt war das anders. Wir haben jedoch mit deutlich mehr Zuschauern gerechnet. In der Regionalliga sind noch zwischen 1.000 und 1.500 gekommen, nach dem Aufstieg sind es immer weniger geworden. Dazu kommen die Punkteprämien: Wir sind im zweiten Jahr Vizemeister geworden, damit hat niemand gerechnet. Einkalkuliert waren 45 Punkte, am Schluss waren es 63. Das kostet dich eine Lawine. Grundsätzlich muss man sagen, dass die regionalen Sponsoren einfach nicht bereit waren, genügend Geld in die Hand zu nehmen. Also machst du dich auf die Suche nach überregionalen Geldgebern. Und wenn dir dann so ein Sponsor in Konkurs geht, wie es uns mit Ruyan passiert ist, hast du ein Loch von 100.000 bis 150.000 Euro. Das ist schwer aufzufangen. In Schwanenstadt haben uns schlussendlich 300.000 Euro für die nächste Saison gefehlt.

Wenn die Ausgangslage so schwierig ist, warum finden sich dann immer wieder Vereine und Funktionäre?
Nussbaumer: Man wäre ein schlechter Trainer und ein schlechter Manager, wenn man nicht Meister werden will. Natürlich träumen viele Vereine vom Profifußball - und wenn sie die Chance bekommen, nehmen sie sie auch wahr. Sie entwickeln einen Ehrgeiz, sind aber mit den Mechanismen nicht vertraut und nicht gut genug vernetzt. Also machen sie Fehler. Und jeder glaubt, er kommt mit weniger Mitteln aus als die Konkurrenz. Aber das funktioniert nicht. Wenn du die Auflagen ordnungsgemäß erfüllst, brauchst du in der Ersten Liga 1,5 bis 1,7 Millionen Euro, davon allein eine Million fürs Personal. Das Geld haben viele nicht, und deshalb machen sie einen Bauchfleck. Ich bin aber dagegen, mit dem Finger auf die kleinen Klubs zu zeigen. Denn es gibt genügend Traditionsvereine, die trotz vorhandenem Wissen, Personal und Strukturen in den Ausgleich oder Konkurs gegangen sind. Das sehe ich viel kritischer, weil diese Fälle den Steuerzahler viel mehr Geld kosten.

Aber ist es nicht von vornherein ein Himmelfahrtskommando, wenn ein Verein wie Vöcklabruck, aus einer Stadt ohne jegliche Fußballtradition, versucht, oben mitzumischen?
Nussbaumer: Es ist natürlich sehr schwer. In Vöcklabruck hat Präsident Alois Resch viel Geld in die Hand genommen, das mit beiden Händen ausgegeben wurde. Resch war im Fußball nicht beschlagen und hat den falschen Leuten vertraut. Ansonsten sehe ich bei einer Bezirkshauptstadt mit 11.000 Einwohnern und dem entsprechendem Einzugsgebiet schon das Potenzial, Profifußball zu spielen.

Sie haben den Lizenzdeal von Schwanenstadt angesprochen. Ganz banal gefragt: Wie verkauft man eine Bundesliga-Lizenz?
Nussbaumer: Heute ist es ja nicht mehr möglich, den Standort eines Profivereins über Landesgrenzen hinweg zu wechseln. In Schwanenstadt war nach den Sponsorausfällen in der Winterpause 2007/08 das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich verwehre mich jedoch dagegen, als Totengräber des Schwanenstädter Fußballs bezeichnet zu werden. Es war nicht meine Entscheidung. Ich habe drei Modelle gehabt, wie es weitergehen kann: den Profibetrieb herunterfahren und absteigen, Kredite aufnehmen oder die Lizenz verkaufen. Der Vorstand und der Wirtschaftsbeirat haben mehrheitlich für die letzte Option gestimmt und mich mit dem entsprechenden Auftrag ausgestattet. Durch meine Netzwerke war es relativ einfach, die Gespräche auf den Weg zu bringen. Damals waren Ernst Neumann und Peter Svetits noch die Vertrauten von Frank Stronach. Wir haben uns ein paar Mal getroffen, und die Sache hat ihren Lauf genommen. Wenn man so will, war das ein normales Geschäft.

Wie viel Geld hat Stronach für die Lizenz bezahlt?
Nussbaumer: Wir haben vereinbart, Stillschweigen darüber zu bewahren. Daran halte ich mich. Aber dass eine Bundesliga-Lizenz wie jene von Pasching mehr gekostet hat als die von Schwanenstadt, liegt auf der Hand.

Was hätten Sie gemacht, wenn der Deal geplatzt wäre?
Nussbaumer: Aus damaliger Sicht war es für alle Beteiligten die beste Entscheidung. Aber man hätte auch mit einem billigeren Kader den Abstieg in Kauf nehmen können. Wenn ich mich heute in Schwanenstadt umhöre, sagen die Leute: »Es war eine schöne Zeit.« Heute spielen sie in der 1. Klasse, und es gibt keinen Spitzenfußball mehr in der Region. Ein entscheidender Faktor waren die Zuschauer. Wenn wir regelmäßig 2.000 Leute gehabt hätten, wären die Wirtschaftstreibenden und damit auch die öffentliche Hand stärker hinter dem Klub gestanden. Das Produkt Fußball war sehr gut, und hätte der LASK nicht Ivica Vastic gehabt, hätten wir sogar um den Aufstieg mitgespielt.

Wenn Sie vom möglichen Aufstieg sprechen, haben Sie ein Funkeln in Ihren Augen. Aber wie wäre es danach weitergegangen?
Nussbaumer: Nüchtern betrachtet hatte Schwanenstadt mit der damaligen Infrastruktur und den vorhandenen Mitteln in der obersten Spielklasse nichts verloren. Mit größerer Unterstützung hätten wir aber etwas aufbauen können. Pläne für einen Stadionumbau waren vorhanden, Vorgespräche mit Investoren geführt. Rein sportlich gesehen - und ich bin von meiner Einstellung her immer ein Sportler gewesen - hätte mir das narrisch getaugt.

Die Realität heißt aber 1. Klasse. Ist vom Lizenzverkauf nicht genug übrig geblieben, um sich schneller wieder hochzuspielen?
Nussbaumer: Ich bin nach wie vor treuhänderisch bei Schwanenstadt tätig und verwalte mit dem Präsidenten die restlichen Einnahmen aus dem Lizenzverkauf. Wir schießen jedes Jahr Geld zu, wollten es aber nicht auf einmal ausgeben. Der Klub soll Schritt für Schritt nach oben kommen. Wenn der Aufstieg heuer nichts wird, werden sie es in der kommenden Saison schaffen.

Waren Sie als Manager jemals in Situationen, wo Sie in die eigene Tasche greifen mussten?
Nussbaumer: Natürlich ist es vorgekommen, dass ich die Putzfrau bezahlt habe, wenn gerade kein Geld verfügbar war. Aber für mich ist die Überzeugung für ein Projekt sehr wichtig, deshalb habe ich als Manager in Schwanenstadt ehrenamtlich gearbeitet. Das Geld, das mir per Vertrag zugestanden wäre, habe ich dem Verein gespendet, weil ich gesehen habe, dass er es für andere Zwecke notwendiger braucht. Ich bin immer in der glücklichen Lage gewesen, beruflich nicht abhängig vom Fußball zu sein. Ich habe meinen Job, und um den Fußball kümmere ich mich in meiner Freizeit. Daher war ich auch nicht bereit, größere Summen vorzuschießen. Das hat eher der Präsident gemacht.

Dass Löcher gestopft werden müssen, gehört aber zum Alltag eines Fußballklubs?
Nussbaumer: Die Liquiditätsengpässe kommen automatisch. Meist um die Winterpause, wenn die Gehälter voll weiterlaufen und kein frisches Geld hereinkommt. Das musst du dann mit Haftungen und Überziehungen auffangen. Ich habe aber nie zu meinen Spielern sagen müssen, dass sie das Geld erst im nächsten Monat bekommen, wie es anderswo der Fall war. Das waren maximal ein paar Tage Verzögerung.

Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen beim Übergang zwischen Amateur- und Profifußball?
Nussbaumer: Die Lizenzierungsbestimmungen der Bundesliga sind in Ordnung. Wenn ein Klub in den Profifußball will, sollte der finanzielle Rahmen inklusive Infrastruktur zu mindestens zwei Dritteln abgesichert sein. Ansonsten ist das Risiko zu groß. Ich fände es überlegenswert, die Erste Liga noch stärker zu einer Ausbildungsliga zu machen. Sind Budgets von drei, vier, fünf Millionen Euro notwendig? Dadurch wird der Wettbewerb angeheizt, die Vereine versuchen sich gegenseitig zu überbieten. Und ich würde auch die Liveübertragungen hinterfragen, weil dadurch die Kosten für die Infrastruktur in die Höhe schießen. In Schwanenstadt steht eine Flutlichtanlage für 450.000 Euro, in Vöcklabruck eine für 550.000 - für die 1. Klasse brauchen sie das nicht. Das Geld wäre für den Nachwuchs sinnvoller eingesetzt. (Reinhard Krennhuber)