Ja, danke, alle Argumente zur Kenntnis genommen, gegen das Betteln im öffentlichen Raum im Allgemeinen und in den Öffis im Besonderen. Wenn jedoch eine Freundin erzählt, dass sie in der U-Bahn angeschnauzt wurde und die österreichischen Bürgerpolizisten oder Polizistenbürger gleich mit dem "Verbot" zur Hand waren, als sie einem Bettler etwas gab, dann sind alle diese Argumente vom Winde verweht, und der nächste Bettler, der einem über den Weg rennt, wird - eigentlich gegen die sonstige Gewohnheit - sofort mit einer Münze bedacht.

Und dann macht es Freude, wenn man sieht, dass man mit dieser Gefühlslage nicht ganz alleine dasteht und dass sich auch andere Menschen durchaus in der Lage fühlen, alleine, ohne Gesetzes- und Bürgerhilfe, zu entscheiden, ob sie Bettlern etwas geben wollen.

In der U6, an einem grauen Vormittag, die besonders eifrig-barsch gesprochene Spontan-Durchsage eines Zugsführers, dass Betteln in den Wiener Linien verboten sei: Vom Bettler ist indes nichts zu sehen, aber die Ansage wird kurz danach wiederholt. Der Griff zweier Passagiere zum Geld, um den Bettler, der sich nun vom Zugsende näherte, mit einer Spende zu erwarten, fällt fast simultan aus. Andere schließen sich an. Niemand meckert. Und der Zugsführer, der wider Willen Herzen und Börsen geöffnet hat, erhält die gerechte Strafe eines Lobes von uns Gesetzesbrechern und einem Bettler. (DER STANDARD-Printausgabe, 16.11.2011)