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EU-Kommissar Michel Barnier macht, was möglich ist.

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Üblicherweise nehmen die Ratingagenturen vor allem die Krisenländer in die Zange. Jetzt könnte es umgekehrt sein.

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Straßburg - Finanz- und Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte sich viel vorgenommen bei seinem Richtlinienvorschlag, mit dem die EU-Kommission die Ratingagenturen in Europa an die Kandare nehmen will.

Offenbar zu viel. Nach überlanger Debatte der Kommissare musste er Dienstagnachmittag in Straßburg zur Präsentation einräumen, dass er nur "den Großteil der Maßnahmen durchgebracht" habe.

Seine wichtigste "Innovation" - ein zeitweiliges Verbot der öffentlichen Bewertung von Staatsschuldentiteln jener Länder, die Hilfen der Europartner in Anspruch nehmen - ist vorläufig jedenfalls vom Tisch. Darüber müsse nun in Details noch geredet werden, erklärte der Kommissar.

Eine neue, eigene EU-Ratingagentur, die in Konkurrenz zu den drei großen US-Agenturen tritt, wird es nicht geben. Präsident José Manuel Barroso hat sich dagegen ausgesprochen.

Barnier will den Bewertungsmarkt durch die Richtlinie, die nun ins parlamentarische Gesetzgebungsverfahren geht, jedenfalls viel transparenter machen. Dazu gehört, dass die Agenturen Staatsschuldentitel alle sechs Monate, nicht nur jährlich bewerten müssen. Diese Bewertungen müssen vor Öffnung der Märkte publiziert werden. Regierungen müssen 24 Stunden zuvor informiert werden, damit sie reagieren können.

Die Banken will Barnier dazu zwingen, eigene Bewertungen vorzunehmen, sich nicht nur auf Ratingagenturen zu stützen.

Sanktionen und Strafen gegen Agenturen soll es geben: aber nur, wenn man ihnen "grob fahrlässiges Handeln" nachweisen kann.

Leerverkäufe limitiert

Dazu wird Barnier aber ebenfalls erst in einigen Wochen neue Vorschläge machen. Genau anschauen will er sich den "Unfall" bei Standard & Poor's bei der Bewertung Frankreichs vorige Woche: Offenbar erhalten Akteure Sonderinfos vor den Märkten und vor Staaten, was Verdacht von Insiderwissen aufwerfe.

Wesentlich weiter ist man bei der Verschärfung der EU-Gesetzgebung im Kampf gegen spekulative Finanzgeschäfte mit Staatsanleihen bzw. mit Credit Default Swaps (CDS), den "Leerverkäufen". Diese Anlegerinstrumente werden für große Kursausschläge auf den Märkten verantwortlich gemacht, die systemrelevante Banken oder Staaten in Schieflage bringen können, wie bei Griechenland oder Irland.

Die neue Richtlinie, die Ende 2012 in Kraft treten sollen, sieht eine Stärkung der Eingriffsmöglichkeiten für die vor einem Jahr geschaffene Europäische Wertaufsichtsbehörde (ESMA) in Paris vor. Sie wird zum Zentrum der Überwachung aller Wertpapiergeschäfte, eng abgestimmt mit den nationalen Aufsichtsbehörden.

Wenn die ESMA Unregelmäßigkeiten entdeckt, soll sie Korrekturvorschläge machen und im Krisenfall Geschäfte befristet verbieten können. Sie wird Notstandsbefugnisse erhalten, Sanktionen verhängen können und Marktteilnehmer im Extremfall vom Handel ausschließen können.

EU-Recht folgt damit einem guten Dutzend von Nationalstaaten - wie Deutschland oder Österreich - die den Handel mit CDS oder Staatsanleihen bereits gesetzlich eingeschränkt haben. Sogenannte "ungedeckte Leerverkäufe" werden ganz verboten.

Gedeckte Leerverkäufe können eingeschränkt werden, wenn Marktturbulenzen das erfordern. Dabei leihen Händler sich Wertpapiere in der Hoffnung, durch späteren Zukauf bei gefallenen Kursen einen Schnitt zu machen. Einzelne Mitgliedsstaaten können jedoch Ausnahmen beantragen, sofern sie Schäden für ihre Staatsanleihemärkte befürchten.

Aber: Krisenprävention soll schneller werden. (Thomas Mayer, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 16.11.2011)