Was in den nächsten Monaten droht, ist in der Geschichte der österreichischen Forschung nach 1945 in dieser Form noch nicht vorgekommen. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) müssen ab 2012 zehn bis 16 Millionen Euro jährlich eingespart werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass die größte außeruniversitäre Trägerorganisation für Forschung rund 300 "Vollzeitäquivalente" abbauen muss, wie es im New-Management-Sprech unschön heißt.

Das bedeutet mit anderen Worten, dass von den insgesamt rund 1400 angestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern der ÖAW zumindest 300 gehen müssen. Die befürchteten Kürzungen und Kündigungen könnten aber noch dramatischer sein als bisher verkündet: Zum einen haben nicht alle angestellten ÖAW-Mitarbeiter eine Vollzeitanstellung. Zum anderen sind weitere Kollateralschäden bei den Drittmittelstellen zu befürchten: ÖAW-Mitarbeiter haben insgesamt 22 Millionen externe Mittel eingeworben (darunter rund 150 laufende FWF-Projekte), die weitere Forscher finanzieren. Werden Projektleiter entlassen, sind auch ihre Mitarbeiter betroffen.

Nach dem ersten Schock auf diese mögliche Kündigungswelle, die von der ÖAW-Leitung und dem Wissenschaftsminister Anfang November bei der feierlichen Unterzeichnung der Leistungsvereinbarung ungern zugegeben wurde, formiert sich nun langsam der Widerstand. ÖAW-Mitarbeiter setzten eine Petition auf, die im Internet unterzeichnet werden kann. Ansonsten sind im Moment nur Spekulationen möglich, welche Institute es wie treffen wird.

Klar ist nur, dass die Kürzungen wohl nicht gleichmäßig auf alle ÖAW-Einrichtungen aufgeteilt werden, wie auch Magnus Nordborg im Gespräch mit dem Standard vermutet. "Wie das passiert, ist zum Glück nicht meine Entscheidung." Die drei noch relativ jungen molekularbiologischen Flaggschiffe der ÖAW - Nordborgs GMI, das von Josef Penninger geleitete Imba und das CeMM unter der Leitung von Giulio Superti-Furga - scheinen vom Sparen ausgenommen zu sein.

Im Wissenschaftsbudget 2012 ist freilich nur das Imba mit 7,2 Millionen und das CeMM mit 8,9 Millionen fix dotiert. Und ein Vertrag, der finanzielle Sicherheit innerhalb der ÖAW garantiert, existiert nur mit dem Imba für die nächsten dreieinhalb Jahre, wie ÖAW-Präsident Helmut Denk auf Standard-Nachfrage erklärte.

Sollten also diese drei als GesmbHs organisierten Forschungsinstitute sowie einige weitere Top-Einrichtungen der Akademie (wie etwa die Quantenphysik) von den Kürzungen ausgenommen bleiben, dann wird es für die übrigen ÖAW-Forscher besonders eng.

150 der zu kündigenden 300 Wissenschafter können laut jüngsten Aussagen der ÖAW-Leitung hoffen, von den Unis aufgenommen zu werden. So sei mit der Uni Wien eine Absichtserklärung zur Übernahme der Einrichtungen für Europäische Integrationsforschung, Linguistik und Rechtsgeschichte unterzeichnet worden. Weitere Übernahmekandidaten seien unter anderem das Institut für Limnologie oder Teile des Erich-Schmid-Instituts. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2011)