Das Museum für sozialistische Kunst in Sofia.

Foto: Anne Katrin Feßler

Sofia - Die Frage, ob er bereits im neuen Museum für zeitgenössische Kunst gewesen sei, beantwortet Iwan Moudow mit einem Lachen. Der bulgarische Künstler ist nicht der einzige, der das im Juni eröffnete Samca (Sofia Arsenal Museum of Contemporary Art) boykottiert. Viele fühlen sich verschaukelt von einer Institution, die "nur ein Gebäude ohne Programm" ist - und ohne Sammlung.

Auf Stagnation und erschreckende Einöde in der Museumslandschaft der Hauptstadt - die Nationalgalerie hat in den letzten 15 Jahren zwei Werke angekauft, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst existiert nicht - hat Moudow mehrfach reagiert; 2005 etwa mit der gefakten Eröffnung eines Museums (siehe Artikel "Brachland: Bulgariens Kunstszene in der Krise").

In der Szene wird das mit einer Schau über schwedische Keramik eröffnete Samca als "You are alone"-Museum verspottet. Aber auch der offizielle Name löst beim Taxifahrer nur Fragezeichen aus. Mithilfe des Stadtplans steuert er den städtischen Friedhof an.

Der Lokalaugenschein ist ernüchternd. Rund um das Gebäude Skulpturen, in der die sozialistische Tradition fortlebt. Im tatsächlich wie leergefegten Museum präsentiert eine unbekannte kroatische Künstlerin Malerei und handgeschöpftes Papier. Arbeiten, für die man den Begriff "sakraler Abstraktionismus" prägen könnte. Die Kuratoren scheinen ahnungslos. Wohin soll es gehen? Was soll man sammeln? Das fragt man jetzt sogar per Umfrage auf der Website des Museums.

"Du bist allein" ist auch das Motto für ein zweites, 2011 eröffnetes Museum in Sofia. Das Museum für sozialistische Kunst, offiziell sogar für "totalitäre Kunst", ist nicht leicht zu finden. Der Name löst ebenso wie die Adresse Achselzucken aus, schließlich wird ein Areal in der Nähe der Verkehrspolizei anvisiert. In der Lachezar-Stanchev-Straße deutet nichts auf ein Museum hin; Schilder weisen den Weg zu einer Behörde und einem Einkaufszentrum in den Bürotürmen, die jüngst an der frequentierten Ausfallstraße hochgezogen wurden.

Gähnende Leere im nagelneuen Einkaufsparadies, aber auch dahinter im auf dem Areal eines ehemaligen TV-Studios untergebrachten Museum: 1:6 lautet das Verhältnis zwischen Besucher und Aufsichtspersonal. Aber umso persönlicher fällt die Betreuung aus: "Auf 550 Quadratmeter Ausstellungsfläche zeigen wir 60 Gemälde und Grafiken, 27 Plastiken und Skulpturen, und auf rund 3500 Quadratmeter Rasengrün weitere 77 Skulpturen", erfährt man. Das Innere dominiert ein Schwung Gemälde stolzer Helden und Parteigrößen sowie das Bild einer toten Partisanin mit entblößter Brust; draußen regiert Lenin - der verherrlichte marxistische Führer in Denker- oder Redepose, lebensgroß oder auch übermenschlich dimensioniert. Selbst der riesige rote Stern, Aufputz der einstigen Parteizentrale, hat hier, wo man besonders auf den Verkauf sozalistischer Souvenirs hinweist, ein Zuhause gefunden.

Sozialismus als Kult

"Kommunismus und Sozialismus gehen dorthin, wohin sie gehören: in die Geschichte. Und ins Museum", verteidigte Vizepremier und Finanzminister Simeon Dankow das 1,5-Millionen-Euro- Projekt bei der Eröffnung im September. Kulturminister Weschdi Raschidow, der selbst Bildhauer ist und seine schöpferische Karriere noch im Sozialismus auslebte, trieb es voran. Er versprach sich großes Interesse an einem dem Sozialismus als Kult huldigenden Museum. Es scheint also weder der erwartete Publikumsmagnet noch Politikum zu sein: In den Medien fanden sich nur wenige kritische Reaktionen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 15. November 2011)