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Angela Merkel veranschaulicht die Kraftanstrengung, die es braucht, um Europa aus der Schuldenkrise zu führen.

Foto: dpa/Kappeler

Diese könne man nur durch Reformen meistern, lautet ihre Botschaft beim CDU-Parteitag.

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Dürfen's ein bisschen Vitamine sein? In der kalten Herbstsonne verteilen Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes vor der Leipziger Messe Äpfel - natürlich verbunden mit einer Aufforderung: für einen fairen Mindestlohn.

So mancher der 1001 Delegieren eilt etwas verschämt vorbei. Zwar ist ja die CDU neuerdings auch für einen Mindestlohn. Aber Geschenke von der Gewerkschaft. Da bleibt eine Portion Skepsis.

Die Lohnuntergrenzen kommen natürlich auch in Angela Merkels großer Rede vor. Doch zunächst muss sich die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende einem ganz anderem Thema widmen: Europa und der Eurokrise. Dieses Thema hat sich in den vergangenen Wochen klammheimlich auf die Tagesordnung des Parteitages geschlichen, "dank" der Eurokrise.

Merkel wählt drastische Worte: "Europa ist heute in einer der schwersten Stunde, vielleicht der schwersten Stunde seit dem Zweiten Weltkrieg." Und:"Wir spüren, dass diese Schuldenkrise Auswirkungen auf die ganze Welt hat. Wenn wir den Durchbruch zu einem neuen Europa wagen, müssen wir über den Tag hinaus denken." Leicht werde das nicht, macht sie klar: "Wir haben einen langen, anstrengenden Weg vor uns" , sagt sie und ruft den Delegierten auch zu: "Europa ist jede Mühe und Anstrengung wert. Wir haben keine andere Wahl."

Im Leitantrag spricht sich die CDU für den Euro-Rettungsschirm ESM, die Direktwahl eines EU-Kommissionspräsidenten und eine schärfere europäische Kontrolle über die nationalen Haushalte aus. Notfalls müsse ein EU-Sparkommissar in nationale Etats eingreifen können, falls sich ein Euro-Staat dauerhaft nicht an den Stabilitätspakt halte.

Für EU-Vertragsänderung

Durch eine EU-Vertragsänderung soll auch ein freiwilliger Austritt eines Euro-Landes aus dem Währungsraum möglich werden. Keine Mehrheit erhielt hingegen ein Antrag, dass die Stimmen im EZB-Rat künftig nach Wirtschaftskraft der Länder gewichtet werden sollen.

Doch Merkel schwört ihre Partei nicht nur auf Reformen auf EU-Ebene ein: "Es gilt notwendige neue Antworten in einer veränderten Welt zu finden."

Deshalb habe sie nach der Atomkatastrophe von Fukushima in der Atompolitik umgesteuert. Deshalb gebe es heute auch neue Anforderungen an die Bundeswehr und die Wehrpflicht habe sich überholt. Merkel weiß, dass ihr "Beliebigkeit" nachgesagt wird. Das aber will sie nicht gelten lassen. Nach wie vor habe die CDU einen "festen Kompass mit dem christlichen Menschenbild" .

Dieser habe die Partei auch bei den Überlegungen zum Mindestlohn geleitet. Hier fand man doch einen Kompromiss:Lohnuntergrenzen werden nicht gesetzlich, sondern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern festgelegt, Differenzierungen nach Branchen und Regionen sind möglich. Dafür gibt es viel freundlichen Applaus. Und Merkel genießt ihn sichtlich. (Birgit Baumann aus Leipzig/DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2011)