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Anpfiff zum Rückzug von Bahn und Gewerkschaft für Fahrdienstleiter Wilhelm Haberzettl.

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Wien - Dass Wilhelm Haberzettl den ÖBB-Holding-Aufsichtsrat vor dem in den mutmaßlichen Korruptionsskandal rund um den Linzer Terminal Tower verwickelten Horst Pöchhacker verlassen würde, galt als denkunmöglich. Seit Samstag ist es fix: Der 56-jährige langjährige ÖBB-Konzernbetriebsratschef legt bis Jahresende alle Funktionen in Bundesbahn und Gewerkschaft zurück und überlässt einem seiner schärfsten Widersacher, dem fast 73-jährigen ehemaligen Porr-Chef, das Feld - der Standard berichtete exklusiv.

Seit der damalige SP-Verkehrsminister Werner Faymann Pöchhacker als Aufsichtsratschef der Bahn installierte, ließen die beiden keinen Zwist aus: Pöchhacker warf Haberzettl vor, Personalabbau und Reformen zu blockieren. Haberzettl konterte, "Pö" mache die ÖBB mit unfinanzierbaren Tunnelprojekten zu einem Baukonzern mit angeschlossenem Eisenbahnbetrieb. Nun wechselt Haberzettl seinerseits in die Bauwirtschaft, er wird zweiter Geschäftsführer der in WBG Wohnen und Bauen umbenannten früheren Wohnbaugesellschaft der Ös- terreichischen Bundesbahnen. Er wird damit Herr über tausende Eisenbahnerwohnungen.

Dafür ist dem roten Spitzengewerkschafter (bis 2009 stand er der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter vor, ehe er von Privatangestelltengewerkschafter Wolfgang Katzian abgelöst wurde) zumindest seitens der Blauen eine schlechte Nachred' sicher: Haberzettl ziehe sich ins rote Wohnbau-Versorgungsparadies zurück, klagte FP-Generalsekretär Harald Vilimsky. "Offenbar konnte man es dem treuen Genossen nicht zumuten, allein mit seinem Nationalratseinkommen das Auslangen zu finden." Haberzettl lasse die ÖBBler im Stich.

Das stellt Haberzettl, der alle ÖBB-Chefs seit Helmut Draxler gegen sich hatte, in Abrede. Es sei Zeit für einen Generationswechsel. Über die "persönlichen Gründe" wird in Gewerkschaft und SPÖ spekuliert. Während die Parteispitze Streit mit Haberzettl über die ÖBB-Zukunft dementiert, sind Auskenner im ÖGB gesprächiger. Sie unken, die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida (in der die Eisenbahnergewerkschaft aufgegangen ist) sei knapp bei Kasse und reduziere Büroflächen in der ÖGB-Zentrale. Diesen Niedergang wolle Haberzettl nicht mitverwalten. "Blödsinn" und "Gerüchte ohne Substanz", wehrt Vida-Chef Rudolf Kaske ab.

ÖGB-Insider berichten freilich von akutem Sparzwang. ÖBB-Belegschaftsvertreter mit Vida-Mandat würden ihre Büros vom "Catamaran" in die ÖBB übersiedeln, um bei Vida Kosten zu sparen. Das klingt logisch. Von rund 80.000 Eisenbahnergewerkschaftsmitgliedern sind mehr als 40.000 Pensionisten, die Mitgliedsbeiträge daher tendenziell rückläufig. "Strukturen an geänderte Verhältnisse anpassen", beschrieb Haberzettl die Entwicklung vor Jahren.

Ob es für die ÖBB, die Haberzettls Abgang lapidar bedauerte, mit seinem Nachfolger leichter wird, ist ungewiss. Als Wunschkandidat der Basis gilt in Internet-Foren Roman Hebenstreit, Betriebsratschef der ÖBB-Traktion. Er hat tausende Lokführer hinter sich und damit das ÖBB-Nervenzentrum. (ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.11.2011)