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Ex-EU-Kommissar Monti soll auf Berlusconi folgen.

Foto: REUTERS/Stefano Rellandini

Rom - Nach dem Rücktritt Silvio Berlusconis als Premierminister hat der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano am Sonntagabend den früheren EU-Kommissar Mario Monti mit der Regierungsbildung beauftragt. In Montis Kabinett sollen ausschließlich Experten sitzen. Der einzige Polit-Profi ist Ex-Premier Giuliano Amato, der Außenminister werden soll.

In einer Videobotschaft erklärte Berlusconi, er werde Monti unterstützen und die politische Szene nicht verlassen. Auch eine Rückkehr an die Macht schloss er nicht aus. In einem Brief an die Mitglieder einer Rechtspartei La Destra schrieb er, er sei "stolz" auf die Arbeit seiner Partei und bereit, den "Weg der Regierung" wieder aufzunehmen. Der Ex-Premier zeigte sich über den Jubel und die Schmährufe verbittert, die seine Rücktrittserklärung begleitet hatten. Vor dem Präsidialamt hatten Tausende Samstagabend den Abgang gefeiert.

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Italiens Regierungspartei PDL empört sich über die Jubelszenen zum Rücktritt Silvio Berlusconis. "Würden wir heute über die zukünftige Regierung von Mario Monti entscheiden, hätten wir abgelehnt", sagte Parteichef Angelino Alfano, der den Partito Democratico aufforderte, sich von den "persönlichen Attacken" zu distanzieren. Berlusconi werde in der Parteiführung aktiv bleiben: "Würde er heute kandidieren, würde er uns tausende Stimmen bringen."

Berlusconi nannte die Jubelfeiern "völlig unangebracht". Sein Rücktritt sei ein "Dienst an seinem Land" gewesen. Es handle sich um "von der Linken organisierte Aggressionen." Er kündigte eine Fernsehbotschaft an die Italiener an. Vor dem römischen Quirinalspalast hatten sich am Samstagabend Tausende eingefunden, um den historischen Augenblick mitzuerleben. Berlusconis Limousine wurde mit Münzen beworfen, Sprechchöre forderten den Premier auf, "endlich abzuhauen." Am Sonntagabend tauchten neben den Gegnern auch rund 200 Anhänger Berlusconis vor dem Quirinal auf, die in Sprechchören sofortige Neuwahlen forderten. Wie am Vortag wurde das Polizeiaufgebot erheblich verstärkt.

Die Spannungen zwischen Mehrheit und Opposition hatten sich schon bei der Verabschiedung des Konjunkturpakets in der Kammer entladen. Während das Rechtsbündnis den scheidenden Premier mit "Silvio, Silvio-Sprechchören feierte, sprach die Opposition vom "Ende eines Albtraums" und einem "nötigen Neubeginn in fast allen Bereichen."

Im Popolo della Libertá stößt die geplante Regierung unter Mario Monti auf gegensätzliche Reaktionen. Ein Teil der Partei appellierte an Berlusconi, auf Neuwahlen zu bestehen. In einer Grußbotschaft an die rechtsextreme Partei La Destra äußerte Berlusconi die Hoffung, "den gemeinsamen Weg wieder aufnehmen zu können". Besorgt zeigte er sich über den Bruch mit der Lega Nord, die das neue Kabinett ablehnt und in die Opposition wechseln will. In Rom endet damit die Allianz zwischen den beiden Parteien, die auch die drei großen Regionen des Nordens regieren. Offiziell pocht die Lega zwar auf Neuwahlen, doch angesichts ihrer Umfragewerte kommt ihr der Wechsel in die Opposition durchaus gelegen. Dagegen will die Oppositionspartei Italien der Werte ihre kritische Haltung überdenken, fordert jedoch eine befristete Übergangsregierung.

Während Staatspräsident Giorgio Napolitano am Sonntag im Eiltempo Abordnungen aller Parteien zu Beratungen empfing, arbeitete Mario Monti an seiner Ministerliste, die er am Montag vorlegen will. Dem reinen Expertenkabinett soll kein einziger Politiker angehören. Als Außenminister ist der ehemalige Premier Giuliano Amato im Gespräch, als Finanzminister der Rektor der Wirtschaftsuniversität Bocconi, Guido Tabellini. Nach Abschluß der Konsultationen wollte Napolitano Monti am Abend offiziell den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen, um noch vor der Eröffnung der Börsen ein "klares Signal" an die Finanzmärkte zu senden. Dessen Regierungserklärung im Parlament könnte bereits am Dienstag erfolgen. (mu, DER STANDARD-Printausgabe, 14.11.2011)