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Wichtig ist, dass Mitarbeiter die Bezahlung im Vergleich zu anderen als gerecht empfinden.

Foto: AP/dapd/Loos

Kaum irgendwo ist die Diskrepanz zwischen Forschungsergebnissen und Alltagsglauben größer als bei der leistungsorientierten Entlohnung. Der Alltagsglaube: Leistung muss sich lohnen, bessere Leistung muss besser bezahlt werden. Die Forschung: Geld kann nur dort motivieren, wo der Job selbst kein Motivationspotenzial hat. Sonst besteht die Gefahr von Verdrängungseffekten, extrinsische Motivation verdrängt intrinsische. Leistungsorientierte Entlohnung führt zu entlohnungsorientierter Leistung.

Die Theorie dahinter ist die der Selbstrechtfertigung von Elliot Aronson: Was immer wir tun, wir müssen uns dafür rechtfertigen. Diese Rechtfertigung kommt entweder aus der Umwelt, z. B. in Form von Belohnungen oder Bestrafungen, oder aus uns selbst. Wenn wir keine externen Rechtfertigungen haben, müssen wir interne aufbauen. Diese sind wirksamer als die externen. Unzählige Studien und Metaanalysen, insbesondere von den US-Psychologen Deci und Ryan, haben den Verdrängungseffekt belegt. Eine Studie von Weibel, Rost und Osterloh (2007) zeigt z. B., dass durch variablen Lohn die extrinsische Motivation um zwei Prozent zunimmt, gleichzeitig die intrinsische um sechs Prozent abnimmt, was zu einer Minderleistung von vier Prozent im Vergleich zur nicht extern belohnten Ausgangsleistung führt. Schlimmstenfalls führen Leistungslöhne zur Korrumpierung, wie es Enron- und Telekom-Skandal gezeigt haben.

Warum halten dennoch so viele Unternehmen gegen besseres Wissen an leistungsorientierten Gehaltsbestandteilen fest? Erstens: Manager behaupten zwar regelmäßig, dass sie selbst nicht primär monetär motiviert sind, sie unterstellen das aber (zu Unrecht) allen anderen. Zweitens: Monetäre Anreize sind im Vergleich zu symbolischer Belohnung, Wertschätzung oder Feedback ein einfach zu handhabendes Instrument. Drittens: Einmal eingeführt, entfalten sie große Beharrung und können nur schwer zurückgenommen werden. Viertens wirkt auch systemische Dummheit: Wenn Bonuszahlungen branchenüblich sind, meint das einzelne Unternehmen, sich anpassen zu müssen. Fünftens ist der Mythos, dass sich Leistung eben auch monetär lohnen sollte, kaum mit rationalen Argumenten zu durchbrechen.

Ist leistungsorientierte Entlohnung gerechtfertigt? Ja, wenn die Quantität, nicht die Qualität der Leistung im Vordergrund steht, wenn Einzel- und nicht Gruppenleistungen zählen, wenn die Aufgabe einfach und standardisiert ist, es sich um geschlossene Probleme und nicht um offene Herausforderungen handelt.

In allen anderen Fällen sollte fix bezahlt werden. Wichtig dabei ist, dass Mitarbeiter die Bezahlung im Vergleich zu anderen als gerecht empfinden. Die Bezahlung sollte einer leistungsunabhängigen Dynamik unterliegen, bspw. Biennalsprüngen. Besondere Leistungen sollten symbolisch belohnt werden, der Ökonom Bruno Frey setzt auf Orden, Ehrungen und Titel. Erinnert das nicht frappant an unser altes Beamtensystem? (Michael Meyer/DER STANDARD; Printausgabe, 12./13.11.2011)