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Intendant Alexander Pereira und Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf bei der Jahrespressekonferenz der Salzburger Festspiele

Foto: APA/Gindl

Salzburg - Jeder Sommer soll einzigartig sein. Daher will Alexander Pereira, der neue Intendant der Salzburger Festspiele, möglichst keine Wiederaufnahmen ansetzen: "Wer 2012 nicht in Salzburg gewesen sein wird, wird das Festival 2012 verpasst haben", sagte er bei seiner ersten Programmpräsentation. Bei dieser wurde offenbar, dass die Subventionen und Sponsoringeinnahmen (insgesamt 21,5 Millionen Euro) nicht einmal ausreichen, um die Overheadkosten abzudecken: Die Karteneinnahmen hatten um 1,5 Millionen höher zu sein als die künstlerischen Ausgaben. Für seinen Weg der "Einmaligkeit" braucht Pereira aber zwei bis 2,4 Millionen Euro mehr. Daher wurde ein weiterer Hauptsponsor akquiriert (Rolex). Und 1,1 Millionen Euro hofft man über Anhebung der Preise einzunehmen: Die teuersten Karten für die drei publikumsträchtigsten Opern 2012 werden 400 Euro (statt 370) kosten. Dies einzugestehen überließ Pereira Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler.

Er selbst monologisierte über Neuerungen. Statt Motto oder dramaturgischem Überbau gibt es ab nun zum Finale einen Festspielball (Eintrittskarte inklusive Dinner um 750 Euro). Und beginnen wird das Festival fünf Tage früher (20. Juli); im Rahmen der "Ouverture spirituelle" wird sakrale Musik geboten. 2012 liegt der Fokus auf dem jüdischen Glauben: Zubin Metha gibt Konzerte mit dem Israel Philharmonic Orchestra. Sir John Eliot Gardiner dirigiert die "Creation" von Haydn; und Nikolaus Harnoncourt zelebriert die Missa longa von Mozart. Damit der Dom nicht so hallt, werden die Gobelins aus der Entstehungszeit wieder aufgehängt. Es gibt also nicht nur Originalklang, sondern auch Originalakustik.

Heimkehrer Harnoncourt bestreitet mit seinem Concentus musicus (27. Juli) auch den Opernauftakt - mit der Zauberflöte. Weil sich der Todestag des Librettisten, Emanuel Schikander, zum 200. Mal jährt, bringt Pereira zudem das unbekannte Sequel Das Labyrinth oder der Kampf mit den Elementen, das Peter von Winter komponierte. Dieses Volksstück wird im neu überdachten Residenzhof zu sehen sein.

Die Wiener Philharmoniker sind künftig das noch zentralere Orchester: Sie bestreiten neben fünf Konzertprogrammen vier Opernproduktionen. Pereira startet mit einem Hitfeuerwerk: Anna Netrebko verkörpert die Mimì in La Bohème, Sir Simon Rattle dirigiert Carmen. Konzertant aufgeführt werden Il re pastore (mit Rolando Villazón) sowie Händels Tamerlano (mit Plácido Domingo). Und Sven Eric Bechtolf, der Schauspieldirektor, inszeniert die Urfassung der Ariadne auf Naxos, für die Richard Strauss auch Der Bürger als Edelmann adaptierte. Damit es eine Verschränkung gibt, präsentiert Bechtolf die Molière-Komödie auch als Puppenspiel von Thalias Kompagnons.

Nicht hinter den Standard von Markus Hinterhäuser zurückfallen will Pereira in Sachen Zeitgenössisches: Er kündigt für jedes Jahr die Opernuraufführung an. Der jeweilige Komponist wird auch im Zentrum der Reihe "Salzburg Contemporary" stehen. Für 2012 war die Zeit für eine neue Oper zu kurz, gezeigt wird deshalb Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann (Regie: Alvis Hermanis, Dirigent: Ingo Metzmacher). Auf Zimmermann liegt auch der "Contemporary"-Schwerpunkt (zusammen mit Holliger und Lutoslawski). Uraufführungen gibt es aber nicht nur im Konzert: Bechtolf will jedes Jahr einen österreichischen Dramatiker vorstellen, der zudem "Festspielschreiber" ist (statt bisher "Artist in Residence"). 2012 hebt Nicolas Liautard Meine Bienen. Eine Schneise von Händl Klaus aus der Taufe.

Bechtolf bekennt sich auch zum Kindertheater und zum Kanon: Andrea Breth inszeniert im Bühnenbild von Martin Zehetgruber Kleists Prinzen von Homburg mit einem Burgtheater-All-Star-Ensemble. Und Irina Brook, Tochter von Peter Brook, nimmt sich Ibsens Peer Gynt an. Das "Young Directors Project" läuft weiter, der Jedermann bleibt unverändert. (Thomas Trenkler  / DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.11.2011)

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Zwischen Glanz und Substanz
Pereira und Bechtolf setzen auf Vielfalt - eine Analyse

Salzburg - Zum Aufwärmen hat ein neuer Salzburger Intendant keine Zeit. Und Alexander Pereira nimmt sie sich auch nicht. Rein quantitativ hat er im Vergleich zu seinen Vorgängern zugelegt, er stellt dem Festival etwa eine konzertante Ouverture spirituelle voran, die immerhin einen Claudio Abbado zu den Festspielen zurückbringt. Im Opernbereich dominieren große Hits, wobei Pereira allerdings Carmen (Osterfestspiele-Übernahme) von Vorgänger Jürgen Flimm erben musste. Und: Es ist ihm gelungen, Dirigent Nikolaus Harnoncourt sogar mit dem Concentus Musicus nach Salzburg zu locken (Zauberflöte). Und immerhin ist da auch Platz für die Opernmoderne (Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann), die in den Folgejahren in Form von Uraufführungen glänzen möge.

Ob das Ganze eine runde Saison 2012 ergeben wird, muss sich erst durch die Realisierung der Produktionen zeigen. Den unverzichtbaren Starbedarf hat Pereira mit den Netrebkos, Bartolis und Rattles jedenfalls abgedeckt. Nun müssen die Inszenierungen auch Substanz abseits harmloser Gefälligkeit beweisen. Und: In puncto Moderne könnte man noch (im Sinne der Opulenz der letzten Jahre) sicher zulegen. Dann werden sich Glanz und Substanz womöglich die Waage halten.

Ungewöhnliche Akzente setzt Sven-Eric Bechtolf als Schauspieldirektor. Neben Andrea Breth sind vorwiegend Neuzugänge zu verzeichnen: darunter Irina Brook, Tochter der Theaterlegende Peter Brook, und die britische Jugendtheatercompagnie Theatre-Rites. Auch das Nürnberger Figurentheater Thalias Kompagnons schnuppert 2012 erstmals Salzach-Luft. Künstler, die hierzulande bisher wenig von sich reden machten. Bechtolf folgt also keinem Star-Konzept, sondern seiner Entdeckungslust. (tos, afze  / DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.11.2011)